Bosnien und Herzegowina
Die Mitgliedsorganisation des IGB in Bosnien und Herzegowina ist die Konfederacija Sindikata Bosne I Hercegovine (KSBiH).
Bosnien und Herzegowina ratifizierte 1993 das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) und das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1949).
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert.
Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen. Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Das Gesetz untersagt gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung, enthält aber keinen angemessenen Schutz.
Gesetzliche Hindernisse für die Gründung von Organisationen
- Offizielle Zulasung kann willkürlich, unbegründet oder aus nicht eindeutigen Gründen verweigert werden
- Die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen für die Zulassung von Gewerkschaften sind sehr kurz. Das Überschreiten dieser Fristen kann zu unverhältnismäßig harten Strafen führen, wie etwa zur Auflösung der fraglichen Organisation oder zur Streichung ihrer Zulassung. Der Justizminister von Bosnien und Herzegowina hat das Recht, die Zulassung von Gewerkschaften zu akzeptieren oder abzulehnen, und falls innerhalb von 30 Tagen kein Beschluss ergeht, wird davon ausgegangen, dass die Zulassung verweigert wurde. Die Frist von 30 Tagen wird in der Praxis kaum eingehalten.
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Beschränkungen des Rechtes auf die Wahl ihrer Vertreter/innen und auf ungehinderte Selbstverwaltung
- Die internen Verfahren von Gewerkschaften unterliegen detaillierten gesetzlichen Regelungen, durch die ihre Freiheit eingeschränkt wird. In der Republika Srpska müssen Betriebsgewerkschaften beim Arbeitsministerium registriert werden, dessen Bestimmungen besagen, dass die ernannten Gewerkschaftsvertreter/innen eine Bescheinigung vorlegen müssen, der zufolge sie bei dem jeweiligen Betrieb beschäftigt sind. Für den Fall, dass der Arbeitgeber die erforderliche Bescheinigung nicht ausstellt, sind weder Strafen noch alternative Mittel zum Beweis des Beschäftigungsverhältnisses vorgesehen.
- Behördliche Befugnis, Gewerkschaften im Alleingang aufzulösen, vorübergehend zu verbieten oder deren Zulassung aufzuheben
- Das Justizministerium oder das Gericht von Bosnien und Herzegowina kann eine Gewerkschaft auflösen. Eine Auflösung auf administrativem Weg ist beispielsweise möglich, wenn eine Gewerkschaft die in ihrer Satzung festgelegte Frist für die Abhaltung ihrer Versammlung überschritten hat. Gewerkschaftsaktivitäten können zudem per Gerichtsbeschluss untersagt werden, wenn diese sich nicht im Einklang mit den satzungsmäßigen Zielsetzungen befinden.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt.
Bestimmungen, die Tarifverhandlungen und deren Wirksamkeit untergraben
- Fehlen eines geeigneten Verfahrens zur Unterstützung und Förderung des Tarifprozesses
- Der IAO-Sachverständigenausschuss hat bei zahlreichen Gelegenheiten auf die Notwendigkeit hingewiesen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Tarifverhandlungen zu fördern und zu unterstützen.
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Sonstige übertriebene, unsinnige oder ungerechtfertigte Auflagen
- In der Föderation Bosnien und Herzegowina schreibt das Gesetz vor, dass während eines Streiks "die Aufrechterhaltung der Produktion" gewährleistet werden muss. Wie dies zu erreichen ist, muss im Voraus mit dem Arbeitgeber geklärt und spätestens zehn Tage vor dem geplanten Streikbeginn bekannt gegeben werden. Falls keine Einigung zustande kommt und die Gewerkschaft den Streik dennoch beginnt, wird dieser von einem Gericht für gesetzwidrig erklärt, die Gewerkschaften müssen mit einer Geldstrafe in Höhe von 2.500 KM (EUR 1.250) rechnen und die Beschäftigten machen sich strafbar.
Übermäßige Eingriffe der Behörden oder der Arbeitgeber während eines Streiks
- Befugnis der Behörden oder Arbeitgeber, einen Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik einseitig zu verbieten, zu begrenzen, auszusetzen oder zu beenden - In der Föderation Bosnien und Herzegowina verfügen die Arbeitgeber aufgrund der Bestimmung, dass sie sich mit der Gewerkschaft auf "die Aufrechterhaltung der Produktion" während eines Streiks verständigen müssen, damit der Streik gesetzmäßig ist, über erhebliche Befugnisse, um rechtmäßige Streiks zu untersagen.
Praxis
Angaben der Forst- und Holzarbeitergewerkschaft der Republika Srpska (SSPDPRS) zufolge habe die Geschäftsführung der staatlichen Forstgesellschaft in der Republika Srpska ihre Eingriffe in Gewerkschaftsangelegenheiten fortgesetzt, indem sie den Leitern der lokalen Niederlassungen des Unternehmens mit Blick auf “Methoden zur Organisation der Gewerkschaft” Anweisungen erteilt habe. Zudem hat die Geschäftsführung eine von ihr kontrollierte Personalvertretung weiter großzügig unterstützt, indem ihren Mitgliedern beispielsweise Firmenwagen zur Verfügung gestellt wurden.
Diese Vorgehensweise stellt eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer freien und demokratischen Gewerkschaft dar. “Wir werden den Kampf gegen die Eingriffe der Geschäftsführung der staatlichen Forstgesellschaft in interne Gewerkschaftsangelegenheiten fortsetzen und für eine wirkliche Vertretung der Arbeitnehmerrechte in der Forst- und Holzwirtschaft eintreten”, so Vlado Pavlovic, der Vorsitzende der Gewerkschaft SSPDPRS.
Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Gewerkschaftsvertreter entlassen und die Beschäftigen eingeschüchtert oder unter Druck gesetzt wurden, aus der Gewerkschaft auszutreten oder einer „gelben“ Gewerkschaft beizutreten. Ein Arbeitgeber hat Austrittsformulare vorbereitet und an einem Tag 300 Gewerkschaftsmitglieder dazu gebracht, ihre Mitgliedschaft aufzugeben. In der Praxis ist es schwierig, eine Gewerkschaftsorganisation ohne implizite Genehmigung des Arbeitgebers zu gründen. Häufig versuchen die Arbeitgeber, die Ergebnisse von Gewerkschaftswahlen dadurch zu beeinflussen, dass sie die Beschäftigten unter Druck setzen, in einer bestimmten Weise zu wählen. Manche Unternehmen ziehen die Gewerkschaftsbeiträge zwar von den Löhnen ab, leiten sie aber nicht an die Gewerkschaft weiter, sondern machen damit, was sie wollen.
Im Dezember 2015 hat die Regierung der Republika Srpska die Verabschiedung umfassender Arbeitsgesetzänderungen bekannt gegeben. Das neue Arbeitsgesetz ist Teil der Reformagenda als Bedingung für einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds. Die Gewerkschaften wurden dabei nicht konsultiert, und das Gesetz wurde im Eilverfahren durchgepeitscht. Es sieht eine beträchtliche Deregulierung des Beschäftigungsverhältnisses vor und wird von den Gewerkschaften, die zu einer landesweiten Demonstration aufgerufen haben, als inakzeptabel betrachtet. Während der Demonstration kam es zu erheblichen Einschüchterungen und Schikanierungen, einschließlich eines exzessiven Einsatzes von verdeckten Ermittlern, die die Protestierenden filmten und fotografierten. Zudem wurden Scharfschützen auf dem Dach der Nationalversammlung und in Nachbargebäuden postiert. Sämtliche Busse, die Teilnehmer/innen zu der Demonstration brachten, wurden von der Polizei aufgehalten und kontrolliert. Die Demonstranten mussten ihre persönlichen Daten angeben, wie etwa ihren Vor- und Nachnamen, ihre Adresse und ihren Arbeitgeber. Vor der Demonstration tauchte die Polizei unangekündigt in Gewerkschaftsbüros auf und verlangte die Listen der Beschäftigten, die sich an dem Protest beteiligen würden. Der Präsident der Republika Srpska und andere Regierungsvertreter forderten die Beschäftigten/Gewerkschaftsmitglieder öffentlich auf, bei dem Protest nicht mitzumachen und zu Hause zu bleiben. Den Organisatoren des Protestes wurde vorgeworfen, die Republika Srpska zu destabilisieren und zu zerstören.
Das Unternehmen Global Ispat Koksana Inustrija Lukavac, das etwa 1.000 Mitarbeiter/innen beschäftigt, hat es nicht nur versäumt, die Löhne fristgerecht auszuzahlen, sondern sie auch einseitig unter das landesweite Minimum gesenkt. Zudem versucht die Betriebsleitung regelmäßig, die örtliche unabhängige FBIH-Gewerkschaft der Chemie- und Nichtmetallindustrie einzuschüchtern. Am 21. Juni 2013 forderte die Betriebsleitung etwa 60 langjährige Mitarbeiter auf, aus der Gewerkschaft auszutreten und somit als Vorbild für andere Beschäftigte zu fungieren.
2008 stellte der Gewerkschaftsdachverband Gewerkschaftsdachverband Dachorganisation auf nationaler, regionaler oder Bezirksebene, die sich aus ihren Mitgliedsgewerkschaften zusammensetzt; bezeichnet häufig einen Verband oder Dachverband eines Landes. der serbischen Republik (SSRS) beim Arbeits- und Sozialministerium der RS einen Antrag, die gesetzlichen Vorschriften über die Registrierung von Gewerkschaftsorganisationen zu ändern. Nach dem Gesetz dürfen nur die Vorsitzenden von Gewerkschaftsorganisationen registriert werden, und auch nur dann, wenn sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben. Als Folge davon können in vielen Unternehmen keine Gewerkschaften gegründet werden, weil es keine Beschäftigten mit einem unbefristeten Vertrag gibt. Der SSRS beantragte daher, dass auch Beschäftigte mit einem befristeten Vertrag das Recht erhalten sollten, in ein Gewerkschaftsregister eingetragen zu werden, und diesen Beschäftigten besonderen Schutz zu gewähren. Diese Änderung gab es jedoch nicht.
Der Gewerkschaftsverband von Bosnien und Herzegowina (KSBiH) berichtet, dass multinationale Konzerne, insbesondere im Bereich Handel, den Gewerkschaften sehr ablehnend gegenüberstehen. Arbeitnehmer in großen Einkaufszentren werden mit Entlassung bedroht, falls sie einer Gewerkschaft beitreten. Entlassungen von Gewerkschaftsfunktionären sowie Vergeltungsmaßnahmen für Streiks sind nicht selten, und in einem Land mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von fast 50% schrecken angesichts solcher Fälle viele Arbeitnehmer davor zurück, einer Gewerkschaft beizutreten. Die Lage verbesserte sich allerdings bei Interlex, wo die Arbeitnehmer zuvor mit einer 50%igen Lohnkürzung rechnen mussten, falls sie eine Gewerkschaft gründeten. Im Oktober, veranstaltete die Gewerkschaft für Handel und den Dienstleistungsbereich (STBIH) eine Gewerkschaftsversammlung in dem Betrieb und wählte fünf betriebliche Gewerkschaftsvertreter.