Deutschland
Die Mitgliedsorganisation des IGB in Deutschland ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).
Deutschland ratifizierte 1957 das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) und 1956 das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen (1949).
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung ist gesetzlich verboten.
Sonstige Beschränkungen
- Sonstige Beschränkungen
- Selbstständige haben nicht das Recht auf Vereinigungsfreiheit.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht ist in der Verfassung verankert.
Gesetzliche Hindernisse für die Anerkennung von Tarifparteien
- Übermäßige Bestimmungen bezüglich der Repräsentativität oder Mindestmitgliederzahl von Gewerkschaften mit Blick auf Tarifverhandlungen
- Es gibt keine gesetzlichen Repräsentativitätskriterien. Die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft kann bei Gericht angefochten werden, wenn Zweifel bezüglich ihrer Fähigkeit besteht, eine Tarifauseinandersetzung mit allen Mitteln führen zu können.
Beschränkungen des Grundsatzes ungehinderter und freiwilliger Verhandlungen
- Ausschluss bestimmter Themen von Tarifverhandlungen (z.B. Löhne, Arbeitszeit)
- Tarifverträge sollen sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen, auf die Betriebsnormen und auf die Betriebsverfassungsnormen.
Einschränkungen oder Verbot von Tarifverhandlungen in bestimmten Sektoren
- Sonstige Beamte und öffentlich Bedienstete
- Die Arbeitsbedingungen von Angestellten können im Rahmen von Tarifverhandlungen geregelt werden, während sämtlichen Beamten das Tarifverhandlungsrecht verweigert wird.
- Sonstige Gruppen
- Selbstständige haben kein Recht auf Tarifverhandlungen.
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht ist in der Verfassung verankert.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Sonstige übertriebene, unsinnige oder ungerechtfertigte Auflagen
- Ein legaler Streik ist erst nach Ausschöpfung aller friedlichen Verhandlungsmittel möglich.
Verbot oder Einschränkungen bestimmter Arten von Streiks
- Beschränkungen hinsichtlich der Art des Streiks (z.B. Streikposten
Streikposten
Personen, die vor den Toren der betroffenen Betriebe auf einen Arbeitskonfliktoder einen Streik aufmerksam machen und versuchen, andere Beschäftigte dazu zu veranlassen, den Betrieb nicht zu betreten bzw. die Verbraucher davon abzuhalten, den Arbeitgeber zu unterstützen. Die Aufstellung von Streikposten vor einem nicht direkt an dem Konflikt beteiligten, neutralen Betrieb zielt darauf ab, indirekt Druck auf den Arbeitgeber, der die eigentliche Zielscheide der Aktion ist, auszuüben.
, wilde Streiks, Dienst nach Vorschrift
Dienst nach Vorschrift
Eine Form des Arbeitskampfes, bei der sich die Beschäftigten streng an sämtliche für ihre Arbeit geltenden Gesetze, Regeln und Prinzipien halten, was einem Bummelstreik gleichkommt.
, Sitzstreik
Sitzstreik
Eine Form des Arbeitskampfes, bei der sich die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz hinsetzen, jedoch keine Arbeit verrichten.
vgl. Streik , Bummelstreik Bummelstreik Eine Form des Arbeitskampfes, wobei die Beschäftigten das Arbeitstempo absichtlich vermindern, um das Arbeitsergebnis zu verringern.
vgl. Dienst nach Vorschrift ) - Wilde Streiks sind nicht zulässig.
Bestimmungen, die die Streikmöglichkeiten oder die Wirksamkeit eines Streiks untergraben
- Diskriminierung zugunsten Nicht-Streikender
- Eine Sonderzahlung seitens des Arbeitgebers für die Nichtteilnahme an einem Streik ist zulässig.
Einschränkungen oder Verbot von Streiks in bestimmten Sektoren
- Übertriebene Beschränkungen für „Staatsbedienstete“
- Allen Beamten im öffentlichen Dienst, ungeachtet ihrer Funktion, wird das Streikrecht verweigert. Die IAO fordert die Bundesregierung bereits seit 1959 auf, denjenigen Beamten, die keine Autoritätsfunktion im Namen des Staates erfüllen, das Streikrecht zu gewähren.
- Willkürliche Festlegung oder übermäßig lange Liste „wesentlicher Dienste“, in denen Streiks untersagt oder stark eingeschränkt sind
- Darüber, was einen wesentlichen Dienst darstellt, wird von Fall zu Fall entschieden, und die Konfliktparteien müssen sich darauf verständigen.
- Sonstige Einschränkungen (z.B. in FEZ Freie Exportzone Ein besonderes Industriegebiet eines Landes, in dem importierte Materialien vor ihrer erneuten Ausfuhr verarbeitet werden; soll vor allem ausländische Investoren anziehen, denen besondere Anreize wie die Ausnahme von bestimmten Handelsbarrieren, Steuern, Regeln und/oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen geboten werden. )
- Selbstständige sind nicht streikberechtigt.
Praxis
Die weltweite Gemeinschaft der Rundfunkgewerkschaften, die UNI Global Union angehören, hat sich solidarisch mit ihren streikenden Kolleginnen und Kollegen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF in Deutschland erklärt.
Rund 3.000 Beschäftigte der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben sich am 18. September 2019 bundesweit an Streiks und Aktionen beteiligt. Sie sind damit aus Anlass der festgefahrenen Tarifrunde einem Aufruf der UNI-Mitgliedsgewerkschaft ver.di gefolgt, die Beschäftigte im Dienstleistungssektor vertritt. Bei vielen regionalen Sendern wie WDR, SWR, MDR, SR, BR und NDR, die in der ARD zusammengeschlossen sind, kam es zu Programmausfällen.
Ver.di hat ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zu seiner besonderen Rolle in einer Demokratie gefordert, die wichtiger denn je sei. Die Gewerkschaft hat die Befürchtung geäußert, dass eine weitere Schwächung dazu führen könne, dass die Rundfunkanstalten ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht mehr erfüllen könnten.
UNI MEI unterstützt ver.di und die streikenden Kolleg*innen bei ARD und ZDF und teilt deren Befürchtung, dass sich allzu viele Verantwortliche in den Anstalten sowie in Landesregierungen und Landesparlamenten dem populistischen Druck von verschiedenen Seiten beugen, statt klar und deutlich für die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender zu kämpfen.
Gewerkschaften und Betriebsräte haben über vermehrte Eingriffe der Arbeitgeber in legitime Aktivitäten berichtet. So hat die Betriebsleitung des dem koreanischen Automobilhersteller Hyundai gehörenden Werkes in Rüsselsheim beispielsweise versucht, Betriebsratsmitglieder zu entlassen und einzuschüchtern. Die zuständige Gewerkschaft IG Metall hat daraufhin Beschwerde bei der Nationalen Kontaktstelle der OECD in Berlin wegen eines Verstoßes gegen deren Leitsätze für multinationale Unternehmen erhoben. Hyundai verweigert jedoch eine Mitwirkung am Mediationsverfahren, das zur Beilegung des Konfliktes beitragen würde.
Der Verpackungshersteller Neupack mit Niederlassungen in Hamburg und in Rotenburg an der Wümme hat immer wieder in rechtmäßige Streiks eingegriffen. Nachdem die Beschäftigten jahrelang keine Lohnerhöhungen und bezahlte Krankentage erhalten hatten, schalteten sie die Gewerkschaft ein und traten in den Ausstand, um ihre Rechte einzufordern. Die Firmenleitung stellte daraufhin ausländische Arbeitskräfte ein, um die Streikenden zu ersetzen und die Wirksamkeit des Streiks zu untergraben. Zudem wurde ein Privatdetektiv engagiert, um dem Betriebsratsvorsitzenden nachzuspionieren, den die Firma aufgrund seines Aktivismus loswerden wollte.
Es gibt Fälle, in denen die Arbeitgeber gelbe Gewerkschaften ins Leben gerufen haben, um unabhängige Gewerkschaften zu schwächen. Das Unternehmen Siemens hat beispielsweise 50 Millionen Euro in die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) investiert, um die IG Metall zu untergraben. Der Vorsitzende der AUB wurde später wegen Betruges und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die AUB ist jedoch nach wie vor in Unternehmen wie ALDI und Hyundai tätig.
Im April 2013 stimmten 97 Prozent der Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft in einer Urabstimmung für einen Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
bei Amazon in Leipzig. Die Geschäftsführung hat den Beginn von Lohnverhandlungen wiederholt verweigert und sich für mehr Betriebsräte statt Gewerkschaften ausgesprochen. In Leipzig arbeiten rund 1.200 Festangestellte und etwa 800 befristet Beschäftigte.
Im Juni 2012 haben die Damp-Kliniken 1.000 Beschäftigte entlassen, um eine Streikaktion im Zusammenhang mit einem Tarifkonflikt zu untergraben. Das Management rechtfertigte die Entlassungen mit dem Argument, dass die Beschäftigten ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen seien. Es ist eine Notdienstvereinbarung vorhanden, und ein Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
muss 48 Stunden im Voraus angekündigt werden.
Deutschland verfügt über eine lange Tradition der Tarifverhandlungen. Allerdings sind inzwischen in vielen Branchen Öffnungsklauseln zwischen den Tarifvertragsparteien vorgesehen, die den Betrieben unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen vom Tarifvertrag
Tarifvertrag
Eine gewöhnlich schriftliche Vereinbarung, die die Ergebnisse von Kollektiv-/Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern enthält.
vgl. Kollektiv-/Tarifverhandlungen
ermöglichen, um Beschäftigung zu sichern.
Sofern dabei Lohnzugeständnisse erfolgten, stand auf der anderen Seite die Beschäftigungsgarantie im Vordergrund. Ein Problem ist das Lohn- und Sozialdumping durch Tarifverträge, die von gelben, mitgliederschwachen und damit nicht durchsetzungsfähigen Gewerkschaften abgeschlossen wurden. Diese Praxis wird jedoch zunehmend von Arbeitsgerichten angezweifelt.
Eine dieser gelben Pseudo-Gewerkschaften. die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften (CGZP), hat jahrelang Niedriglohnstandards in der Leiharbeitsbranche gesetzt. Nachdem bereits das Bundesarbeitsgericht der CGZP die Tariffähigkeit, und damit die Gewerkschaftseigenschaft, abgesprochen hatte, bestätigte nun das Landesarbeitsgericht in Berlin, dass alle Tarifverträge dieser Gewerkschaft ungültig sind.
In einem ähnlichen Fall entschied das Landesarbeitsgericht Hamm, dass die Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung (GKH) im Christlichen Gewerkschaftsbund nicht tariffähig ist. Diese Pseudo-Gewerkschaft hatte jahrelang bundesweit Tarifverträge mit Niedriglöhnen, langen Arbeitszeiten und schlechten Arbeitsbedingungen mit Arbeitgeberverbänden des Tischler-, Schreiner- und Modellbauerhandwerks abgeschlossen.
Auch wenn das Verwaltungsgericht Düsseldorf festgestellt hat, dass verbeamtete Lehrkräfte nicht bestraft werden dürfen, wenn sie streiken, ist keine Initiative der Gesetzgeber erkennbar, das Streikrecht für Beamte endlich auch gesetzlich festzuschreiben.
In Deutschland gibt es keine systematische Diskriminierung durch den Staat. Trotz einer langen Gewerkschafts-, Tarifverhandlungs- und Mitbestimmungstradition legen zahlreiche Unternehmen erhebliche Gewerkschaftsfeindlichkeit an den Tag. In solchen Fällen erhalten z.B. externe Gewerkschaftsvertreter keinen Zutritt zu dem Betrieb und die Arbeitgeber betreiben gewerkschaftsfeindliche Propaganda. Weiterhin kommt es immer wieder zu gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung durch Arbeitgeber. Dabei kommt es zu Entlassungen, Degradierungen, Versetzungen und Diskriminierung bei der Einstellung von aktiven Gewerkschaftsmitgliedern, besonders wenn sie sich für die Gründung von Betriebsräten einsetzen.
Die Betriebsratswahlen 2010 wurden in einigen Fällen durch Arbeitgeber blockiert, so z.B. bei den Betonwerken Westerwelle in Herford. Letztlich ging für die Geschäftsleitung der Firma Westerwelle der Schuss nach hinten los. Mit einer Wahlbeteiligung von 95 Prozent zeigten die Westerwelle-Beschäftigten, wie wichtig ihnen ihr Betriebsrats-Wahlrecht ist. Rechtlich ist eine solche Blockade kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die mit bis zu einem Jahr Haft geahndet wird.
Ein wichtiger Teilerfolg im Kampf gegen das strikte deutsche Beamtenstreikverbot konnte erzielt werden. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einem Einzelfall entschieden, dass verbeamtete Lehrkräfte nicht bestraft werden dürfen, wenn sie streiken. Es kassierte damit Ende 2010 die Disziplinarstrafe einer Lehrerin, die an einer Demonstration teilgenommen hatte.
In Deutschland gibt es keine systematische Diskriminierung durch den Staat, aber es kommt immer wieder zu gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung durch Arbeitgeber. Dabei kommt es zu Entlassungen, Degradierungen, Versetzungen und Diskriminierung bei der Einstellung von aktiven Gewerkschaftsmitgliedern, besonders wenn sie sich für die Gründung von Betriebsräten einsetzen. Die Gesellschaft für Deutsche Sprache wählte den Begriff „betriebsratsverseucht“ zum „Unwort des Jahres 2009„. Das Unwort stehe für eine Haltung, „die sich leider inzwischen verbreitet hat“, begründete der Sprecher der Jury die Wahl. Die Jury war durch eine TV-Sendung auf das Wort aufmerksam gemacht worden, in der ein Mitarbeiter der Baumarktkette Bauhaus berichtete, das Wort werde von Abteilungsleitern des Unternehmens verwendet, wenn Kollegen aus einer Filiale mit Betriebsrat Betriebsrat 1. Ein gewähltes Gremium, das die Arbeitnehmerinteressen im Betrieb durch Kommunikation und Konsultationen mit dem Arbeitgeber vertritt, beispielsweise in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und Fragen des Arbeitsschutzes. 2. Ein sowohl aus Arbeitnehmer- als auch aus Arbeitgebervertretern bestehendes paritätisches Gremium, das betriebliche Diskussionen über Fragen von gemeinsamem Interesse führt. in eine ohne Arbeitnehmervertretung wechseln wollten. „Dort könnte ihm vorgehalten werden, dass sein bisheriges Vertrauen in eine Arbeitnehmervertretung die Einstellung gefährde", so die Erläuterung.
Trotz einer langen Gewerkschafts-, Tarifverhandlungs- und Mitbestimmungstradition legen zahlreiche Unternehmen erhebliche Gewerkschaftsfeindlichkeit an den Tag. In solchen Fällen erhalten z. B. externe Gewerkschaftsvertreter keinen Zutritt zu dem Betrieb und die Arbeitgeber betreiben gewerkschaftsfeindliche Propaganda.