Sierra Leone
Die Mitgliedsorganisation des IGB in Sierra Leone ist der Sierra Leone Labour Congress (SLLC).
Sierra Leone ratifizierte 1961 das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) und das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1949).
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert.
Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen. Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Die Beschäftigten sind vor gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung nicht ausdrücklich gesetzlich geschützt.
Gesetzliche Hindernisse für die Gründung von Organisationen
- Vorherige Genehmigung oder Billigung der Behörden für die Gründung einer Gewerkschaft erforderlich
- Jede Gewerkschaft muss innerhalb von 2 Monaten nach ihrer Gründung ihre Registrierung beantragen. Wird diese Registrierung verweigert, muss die Gewerkschaft innerhalb von 3 Monaten nach diesem Bescheid aufgelöst werden (§ 9 Gewerkschaftsgesetz).
- Offizielle Zulasung kann willkürlich, unbegründet oder aus nicht eindeutigen Gründen verweigert werden
- Der Registrierungsbeamte ist berechtigt, die Registrierung zu verweigern, mit der Begründung, dass „ein zulässiger Einwand vorliege“, der Name der Gewerkschaft irreführende oder anstößige Wörter enthalte oder ansonsten für eine Gewerkschaft ungeeignet, oder der Zweck der Gewerkschaft rechtswidrig sei (§§ 9, 11, 12 und 13 Gewerkschaftsgesetz). Was ein zulässiger Einwand gegen die Registrierung bzw. ein rechtswidriger Zweck für eine Gewerkschaft sein könnte, wird im Gesetz nicht näher erläutert.
- Sonstige Formalitäten oder Bestimmungen, die die Gründung einer Organisation übermäßig verzögern oder erheblich behindern
- Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Registrierung im Amtsblatt veröffentlicht wurde, müssen 6 Monate vergehen. Erst danach kann der Registrierungsbeamte über mögliche Einwände befinden und weitere Schritte zur Eintragung einer Gewerkschaft unternehmen (§ 11(3) Gewerkschaftsgesetz).
- Fehlen eines unabhängigen Gremiums, das darüber entscheidet, ob eine behördliche Zulassungsverweigerung berechtigt ist
- Das Gewerkschaftsgesetz sieht vor, dass beim „Gouverneur“ Beschwerde eingelegt werden kann, wenn die Registrierung einer Gewerkschaft verweigert wird, und dass sämtliche Anweisungen des „Gouverneurs“ abschließende Gültigkeit haben (§ 14). Die Stellung des Gouverneurs besteht nicht mehr. Das Arbeitsgericht ist für diesen Bereich nicht zuständig (Teil III Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz 1971).
- Verhängung von Strafen für die Gründung von oder den Beitritt zu einer nicht offiziell anerkannten Organisation
- Es gilt als Straftat, wenn eine Gewerkschaft nicht aufgelöst worden ist, nachdem die Registrierung abgelehnt oder annulliert worden ist, oder wenn eine Handlung im Zusammenhang mit dem Zweck der Gewerkschaft, ausgeübt wird, ohne dass die Gewerkschaft zuvor registriert worden ist' (§§ 9(2) und 10(2) Gewerkschaftsgesetz).
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Behördliche Befugnis, Gewerkschaften im Alleingang aufzulösen, vorübergehend zu verbieten oder deren Zulassung aufzuheben
Gruppen von Beschäftigten, die Gewerkschaften laut Gesetz weder gründen noch beitreten oder ein Gewerkschaftsamt bekleiden dürfen bzw. nur mit Einschränkungen
- Sonstige Beamte oder öffentlich Bedienstete
- Infolge des Geltungsbereichs (Abschnitt 1) und der Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" (Abschnitt 2) des Lohn- und Arbeitsbeziehungsgesetzes können Beamte keiner Gewerkschaft beitreten oder diese gründen.
- Führungskräfte und Aufsichtspersonal
- Infolge des Geltungsbereichs (Abschnitt 1) und der Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" (Abschnitt 2) des Lohn- und Arbeitsbeziehungsgesetzes können Personen oberhalb der Ebene von Vorgesetzten oder Managern keiner Gewerkschaft beitreten oder diese gründen.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt, jedoch nicht angemessen begünstigt und gefördert.
Gesetzliche Hindernisse für die Anerkennung von Tarifparteien
- Vorherige Genehmigung oder Billigung der Behörden für Tarifverhandlungen erforderlich
- Nur Berufsgruppenausschüsse sind berechtigt, Kollektivverhandlungen zu führen, und nur Gewerkschaften, die in einer Kollektivverhandlungs-Bescheinigung genannt werden, dürfen an den Berufsgruppenausschüssen teilnehmen (§§ 8 und 16 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz).
- Keine bzw. willkürliche, unklare oder unsinnige Kriterien für die Bestimmung repräsentativer Organisationen
- Für die Miteinbeziehung oder den Ausschluss einer Gewerkschaft von einem Kollektivverhandlungs-Bescheinigung (§ 8 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz ) werden keine genauen Kriterien genannt.
Beschränkungen des Grundsatzes ungehinderter und freiwilliger Verhandlungen
- Verbot oder Einschränkung von Tarifverhandlungen auf bestimmter Ebene (örtlich, regional, national; Betrieb, Industrie, Branche oder allgemein)
- Kollektivverhandlungen können nur auf der Ebene der Branche (oder „Berufsgruppe“) stattfinden, und auch nur innerhalb der in § 7(1) oder im Ministererlass nach § 7(2) des Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz genannten Berufsgruppen.
- Starre oder übertriebene verfahrenstechnische Auflagen (z.B. eng gefasster zeitlicher Rahmen für den Abschluss eines Tarifvertrages)
- Berufsgruppenvereinbarungen müssen „möglichst rasch gemäß einem zwischen dem Kongress und dem Verband vereinbarten Zeitplan ausgehandelt werden“ (§ 14(2) Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz).
- Befugnis der Behörden, in die Vorbereitung von Tarifverträgen einzugreifen
- Wenn ein Berufsgruppenausschuss sich in einer Sache nicht einigen kann, muss er die Angelegenheit an den für Schlichtung zuständigen Minister verweisen (§ 17(1) Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz).
Beschränkungen des Geltungsbereichs und der Rechtswirksamkeit abgeschlossener Tarifverträge
- Gebilligte Tarifverträge gelten nicht als gesetzlich bindend oder durchsetzbar
- Eine neue Berufsgruppen-Vereinbarung gilt erst dann, wenn sie „Satzungscharakter“ bekommt (§ 14 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz). Das Verfahren, mit dem eine Berufsgruppen-Vereinbarung „Satzungscharakter“ bekommt, wird im Gesetz nicht bestimmt.
- Beschränkungen der Laufzeit, des Anwendungs- oder Geltungsbereichs von Tarifverträgen
- Berufsgruppenvereinbarungen sind nur für in der Kollektivverhandlungs-Bescheinigung genannte Arbeitgeber verbindlich und gelten nur für die Beschäftigtengruppen unterhalb der Ebene der Aufseher (§ 8 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz).
- Behördliche Billigung freiwillig abgeschlossener Tarifverträge
- Eine neue Berufsgruppen-Vereinbarung gilt erst dann, wenn sie „Satzungscharakter“ bekommt (§ 14 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz). Das Verfahren, mit dem eine Berufsgruppen-Vereinbarung „Satzungscharakter“ bekommt, wird im Gesetz nicht bestimmt.
Bestimmungen, die Tarifverhandlungen und deren Wirksamkeit untergraben
- Fehlen eines geeigneten Verfahrens zur Unterstützung und Förderung des Tarifprozesses
- Kollektivverhandlungen beschränken sich auf die im Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz genannten Berufsgruppenausschüsse. Mechanismen zur Förderung von Kollektivverhandlungen außerhalb der genannten Berufsgruppen, gibt es nicht.
Einschränkungen oder Verbot von Tarifverhandlungen in bestimmten Sektoren
- Sonstige Beamte und öffentlich Bedienstete
- Zwar können Regierungsbedienstete in bestimmten Berufsgruppen Kollektivverhandlungen führen, jedoch sind öffentlich Bedienstete aufgrund der Definition des Begriffs „Beschäftigte“ nach dem Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz ausdrücklich hiervon ausgeschlossen.
- Sonstige Gruppen
- Alle Beschäftigten, die nicht den folgenden Berufsgruppen angehören, sind laut Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz vom Recht auf Kollektivverhandlung ausgeschlossen: Bergbau, Hoch- und Tiefbau, Handel, Versicherung und Buchhaltung; Transport und Spedition, Industrie, Erdöl (Vermarktung und Raffinerie); öffentliche Versorgungsunternehmen, Banken, Hotels, Gaststätten und Unterhaltung, Druck, Verkehr (Straße, Schiene und Binnenschifffahrt), kommunale und lokale Behörden, Landwirtschaft und Luftverkehr.
Sonstige Beschränkungen
- Sonstige Beschränkungen
- Aufseher sind ausgenommen von Kollektivverhandlungen (§ 2 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz).
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht ist nicht speziell gesetzlich geschützt, aber auch nicht ausdrücklich verboten, außer im Falle von Beschäftigten in wesentlichen Diensten.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Übermäßig lange Ankündigungs- oder Abkühlungsfristen
- Es gilt eine Frist von 21 Tagen (§ 17(2) Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz ).
Verbot oder Einschränkungen bestimmter Arten von Streiks
- Beschränkungen hinsichtlich des Streikziels (z.B. Arbeitskonflikte, wirtschaftliche und soziale Fragen, politische, Sympathie- und Solidaritätsstreiks)
- Der Begriff „Streik“ wird in § 2 des Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetzes definiert als Maßnahme, die ergriffen wird, „um den Arbeitgeber oder eine sonstige Person oder eine Stelle zu zwingen, Arbeitsbedingungen oder die Beschäftigung betreffende Bedingungen zu akzeptieren oder nicht zu akzeptieren“. In den wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes wird insbesondere der Begriff „Streik“ nicht verwendet. Man geht jedoch aufgrund eines im Auftrag der IAO erstellten Berichts aus dem Jahr 1993 davon aus, dass Streikmaßnahmen aus politischen, Sympathie- und Solidaritätsgründen gemäß dem Arbeitskampfgesetz verboten ist.
Bestimmungen, die die Streikmöglichkeiten oder die Wirksamkeit eines Streiks untergraben
- Fehlen spezifischer Schutzmaßnahmen für rechtmäßig streikende Beschäftigte (z.B. Kündigungsschutz)
- Im derzeit gültigen Arbeitsrecht von Sierra Leone gibt es keinen Schutz vor Diskriminierung oder Kündigung (aus jedweden Gründen, auch Beteiligung an rechtmäßigen Streikmaßnahmen). Diese Situation muss in der vorgezogenen Reform der arbeitsrechtlichen Bestimmungen behoben werde.
Einschränkungen oder Verbot von Streiks in bestimmten Sektoren
- Willkürliche Festlegung oder übermäßig lange Liste „wesentlicher Dienste“, in denen Streiks untersagt oder stark eingeschränkt sind
- Die Hafen- sowie die Post-und Telekommunikationsbehörden von Sierra Leone gelten als Bereiche, die wesentliche Dienste erbringen (§ 17(3) Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz). Weitere Einrichtungen sind: die Guma Valley Wasserversorgungsbetriebe, der Stromversorgungsbetrieb von Sierra Leone sowie Einrichtungen der Gesundheitsversorgung.
- Fehlen von Alternativen für Gruppen von Beschäftigten, denen das Streikrecht verweigert wird
- Bei Arbeitskämpfen im Zusammenhang mit wesentlichen Diensten werden keine geeigneten unparteiischen und raschen Schieds- oder Schlichtungsverfahren garantiert. Wie bei den Arbeitskämpfen in anderen Berufsgruppen muss eine Streitigkeit an den Minister für Schlichtung verwiesen werden. Wenn der Minister nicht innerhalb von 21 Tagen geschlichtet hat, verweist der Minister die Streitigkeit an das Arbeitsgericht (§ 17(2), Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz ). Wie bei allen Arbeitskämpfen ist das Arbeitsgericht verpflichtet, so „rasch wie ohne Umstände möglich“ ein Verfahren über wesentliche Dienste einzuleiten (§ 34 Lohnbestimmungs- und Arbeitsbeziehungsgesetz).
Praxis
Am 17. Mai 2017 haben sich Beschäftigte der sierra-leonischen Post (Sierra Leone Postal Services, Salpost) an einer friedlichen Demonstration und Arbeitsniederlegung beteiligt, die ihre Gewerkschaft vor dem Hauptgebäude der Salpost in Freetown organisiert hatte. Die Beschäftigten protestierten gegen die Weigerung der Geschäftsführung, langjährigen Beschwerden im Zusammenhang mit der Nichtzahlung der Gehälter und Zulagen sowie schlechten Arbeitsbedingungen, einschließlich des Fehlens sanitärer Einrichtungen sowohl für die Bediensteten als auch für die Kunden, Gehör zu schenken. Den Demonstranten schlossen sich auch Ruheständler der Salpost an, die ihre Renten nicht ausbezahlt bekamen. Obwohl der Konflikt bereits im Jahr 2014 begann, wurde kaum etwas getan, um auf die Forderungen einzugehen. Die Geschäftsführung hat nicht auf die Demonstration reagiert.
Die Seeleutegewerkschaft Sierra Leone Seamen’s Union (SLSU) berichtet über heftige Drohungen seitens der Betriebsleitung von „ShipManagement“ gegen Gewerkschafter. Den Beschäftigten werde gesagt, dass sie entlassen und auf schwarze Listen gesetzt würden, wenn sie weiterhin Verhandlungen über einen Tarifvertrag
Tarifvertrag
Eine gewöhnlich schriftliche Vereinbarung, die die Ergebnisse von Kollektiv-/Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern enthält.
vgl. Kollektiv-/Tarifverhandlungen
forderten.
African Minerals Limited weigert sich, die Gewerkschaftsbeiträge von den Löhnen der Beschäftigten abzuziehen, womit das Unternehmen gegen die innerstaatlichen Arbeitsgesetze verstößt. Das Ministerium für Beschäftigung, Arbeit und soziale Sicherheit hat auf diesen Verstoß nicht reagiert.
Im Januar 2013 hat die Polizei das Feuer auf Beschäftigte eröffnet, die gegen die Nichtzahlung von Prämien protestierten und ein Ende des Rassismus sowie bessere Arbeitsbedingungen bei der größten Diamantenmine Sierra Leones in Koidu forderten. Zwei Beschäftigte wurden dabei getötet.
Im April 2012 protestierten Beschäftigte in Bumbuna im Zusammenhang mit den Löhnen, den Arbeitsbedingungen und dem Vereinigungsrecht. Berichten zufolge ging die Polizei wahllos mit Schüssen und Tränengaskanistern gegen die Protestierenden vor, wobei eine Frau getötet und mindestens sechs Menschen verletzt wurden. Im Juni 2012 kündigte die Menschenrechtskommission Sierra Leones eine Untersuchung und Empfehlungen mit Blick auf eine Strafverfolgung an.
Die staatlichen Behörden verweigern den Beschäftigten von African Minerals Limited das Recht auf den Beitritt zu einer Gewerkschaft ihrer Wahl. Alle Beschäftigten werden einer Gewerkschaft zugewiesen. Das Ministerium für Beschäftigung, Arbeit und soziale Sicherheit hat die Zulassung der Mining and Allied Services Employees Union ohne ersichtlichen Grund aufgehoben und ihr damit auch die Tariffähigkeit entzogen.