Tschechische Republik
Die Mitgliedsorganisation des IGB in der Tschechischen Republik ist der Gewerkschaftsbund CMKOS.
Die Tschechische Republik ratifizierte 1993 das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) und 1993 das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1949).
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert.
Die Vereinigungsfreiheit ist arbeitsrechtlich geregelt.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Das Gesetz untersagt gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung, enthält aber keinen angemessenen Schutz.
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Organisation von Aktivitäten und die Formulierung von Programmen
- Gemäß Abschnitt 286(3) des Arbeitsgesetzes kann eine Gewerkschaft nur funktionieren, wenn mindestens drei ihrer Mitglieder beim Arbeitgeber beschäftigt sind. Es ist ungewiss, ob Beschäftigte, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses tätig sind, für die Zwecke dieser Anforderung als "beim Arbeitgeber beschäftigt" gelten. Daher kann Abschnitt 286(3) die Ausübung von Gewerkschaftsrechten durch Arbeitnehmer im Unternehmen eines Arbeitgebers, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, einschränken.
- Sonstige gesetzlich zulässige externe Eingriffe
- Die im Gesetz Nr. 563/1991 über die Rechnungslegung festgelegten Verpflichtungen (Veröffentlichung von Jahresabschlüssen, einschließlich der gesetzlichen Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer, sowie eines Jahresberichts) sind übermäßig schwerfällig.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt.
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht ist in der Verfassung verankert.
Das Streikrecht wird gesetzlich anerkannt.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Übermäßige Bestimmungen bezüglich der für einen rechtmäßigen Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik erforderlichen Repräsentativität oder Mindestmitgliederzahl - Das Tarifverhandlungsgesetz besagt, dass ein Streik erst dann stattfinden kann, wenn sich zwei Drittel der Beschäftigten in einer Urabstimmung dafür ausgesprochen haben (sofern das Quorum von 50% der unter den Vertrag fallenden Beschäftigten erreicht wurde).
- Übermäßig lange Ankündigungs- oder Abkühlungsfristen
- Wenn die Vermittlungsbemühungen innerhalb von 30 Tagen zu keinem Ergebnis geführt haben, gelten sie als gescheitert, und ein Streik ist möglich. Ein Streik muss drei Tage im Voraus angekündigt werden.
- Obligatorische Schieds- oder langwierige Schlichtungs- und Vermittlungsverfahren vor einem Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik - Ein Streik ist nur im Falle eines Konfliktes im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Tarifvertrages möglich und erst nachdem sämtliche Vermittlungs- und Schiedsverfahren ausgeschöpft wurden.
Einschränkungen oder Verbot von Streiks in bestimmten Sektoren
- Willkürliche Festlegung oder übermäßig lange Liste „wesentlicher Dienste“, in denen Streiks untersagt oder stark eingeschränkt sind
- Die Liste wesentlicher Dienste beinhaltet auch den Kernenergiesektor sowie die Erdöl- und Erdgasindustrie.
Praxis
Der tschechisch-mährische Gewerkschaftsbund (CMKOS) berichtet, dass Gesetze und politische Maßnahmen, einschließlich des neuen Zivilgesetzbuchs, entgegen der besten Praxis ohne vorherige Anhörung der Gewerkschaften angenommen wurden. Die fehlende soziale Kohäsion im Hinblick auf die Richtung, die mit der Regierungspolitik eingeschlagen wird, hat sich negativ auf Beschäftigung und Armut ausgewirkt. Die seit 2011 ergriffenen Sparmaßnahmen betreffen Kürzungen der Arbeitslosenleistungen, Renten und Geburtenzulagen.
Mit dem Gesetz über Kapitalgesellschaften (Gesetz Nr. 90/2012) und dem neuen Zivilgesetzbuch wurde die Pflicht zur Aufnahme von Gewerkschaftsvertretern in die Vorstände von Aktiengesellschaften abgeschafft. Die Gewerkschaften haben gegen die Behauptung ptotestiert, dass Unternehmen mit Gewerkschaftsvertretern in ihren Vorständen weniger wettbewerbsfähig seien, wobei auf einschlägige Studien der EU verwiesen wurde. Diese Veränderungen werden die Interessen der Aktionäre zulasten der Beschäftigten und der Demokratie am Arbeitsplatz stärken.
Durch die Arbeitsgesetzänderungen von 2013 wird die Rolle der Betriebsräte gegenüber den Gewerkschaften gestärkt, da sie im Hinblick auf Konsultationen gleichgestellt werden. Ein Tarifvertrag
Tarifvertrag
Eine gewöhnlich schriftliche Vereinbarung, die die Ergebnisse von Kollektiv-/Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern enthält.
vgl. Kollektiv-/Tarifverhandlungen
kann nun mit sechsmonatiger Frist gekündigt werden, und Beschäftigte von Kleinstunternehmen sind vom Recht auf einen Gewerkschaftsbeitritt ausgeschlossen. Durch diese Modifizierung wurden die Bedingungen für Gewerkschaftstätigkeiten in einem Unternehmen folgendermaßen geändert: Mindestens drei Mitglieder müssen in einem Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen und die Satzung der Gewerkschaftsorganisation muss eine Genehmigung enthalten, nach der sie im eigenen Namen handeln darf. Im Falle kleiner Unternehmen mit lediglich einem oder zwei Beschäftigten bedeutet die Änderung, dass der Gewerkschaftsschutz nicht mehr gegeben ist.
Gemäß dem Arbeitsgesetzbuch des Landes sind Gesetzesvorlagen, die Beschäftigung sowie wirtschaftliche oder soziale Bedingungen betreffen, einer zuständigen Gewerkschaft und den Arbeitgeberorganisationen zur Konsultation vorzulegen. Dass die Regierung beim sozialen Dialog nur oberflächlich vorgeht, wurde jedoch dadurch deutlich, wie sie im Herbst die neue Arbeitsgesetzgebung handhabte, als Gewerkschaften de facto jeglicher Möglichkeit beraubt wurden, einen Einfluss auf Vorschläge zu nehmen, die wichtige Konsequenzen für die Arbeitnehmer haben.
Am 8. Dezember riefen die Gewerkschaften zu einem eintägigen Proteststreik auf, der sich gegen die von der Regierung eingeführten restriktiven Maßnahmen sowie gegen die Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und der öffentlichen Verwaltung richtete. Durchgreifende Änderungen der Vergütungssysteme im öffentlichen Dienst und der öffentlichen Verwaltung wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2011 eingeführt.
Arbeitnehmer agieren bei Tarifverhandlungen nicht immer in gutem Glauben: Gewerkschaften berichten, dass die Informationen zur Tarifverhandlung seitens der Unternehmen vielfach unzulänglich sind oder zu spät gegeben werden. Unternehmen kommen oft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, die Arbeitnehmervertreter in Arbeitsfragen zu konsultieren, nicht nach.
Im Gesundheitssektor werden die Tarifverhandlungen dadurch erschwert, dass die Entscheidungskompetenz nicht mehr bei der Geschäftsführung, sondern bei der staatlichen Verwaltung liegt, wobei letztere präzise und verbindliche Anweisungen darüber gibt, wie Jobs eingestuft und vergütet werden. Auch wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften eine Vereinbarung erzielen, müssen die Arbeitgeber immer noch mit den zentralen Behörden, die die Mittel bereitstellen, verhandeln.
Der Tschechisch-Mährische Gewerkschaftsbund berichtet, dass Verletzungen von Gewerkschaftsrechten zunehmen, wobei es in der aktuellen Wirtschaftslage schwierig sei, die Rechte zu schützen oder gar spezifische Fälle zu melden. Praktiken wie Mobbing finden oft heimlich statt und sind schwer nachzuweisen. Beschäftigte, die ihren Mund auftun, laufen dabei Gefahr, ihren Job zu verlieren, oder müssen negative Auswirkungen auf ihr Gehalt und ihre Arbeitsbedingungen befürchten. Neue Mitarbeiter werden zudem oft gewarnt, dass eine Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht begrüßt wird.