Lettland
Die Mitgliedsorganisation des IGB in Lettland ist der Gewerkschaftsbund LBAS.
Lettland ratifizierte 1992 das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) und das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1949).
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert.
Die Vereinigungsfreiheit ist gesetzlich geregelt.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung ist gesetzlich verboten.
Gruppen von Beschäftigten, die Gewerkschaften laut Gesetz weder gründen noch beitreten oder ein Gewerkschaftsamt bekleiden dürfen bzw. nur mit Einschränkungen
- Sonstige Beamte oder öffentlich Bedienstete
- Die staatlichen Sicherheitskräfte und Grenzsoldaten haben nicht das Recht, Gewerkschaften zu gründen oder beizutreten.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht ist in der Verfassung verankert.
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt.
Beschränkungen des Grundsatzes ungehinderter und freiwilliger Verhandlungen
- Ausschluss bestimmter Themen von Tarifverhandlungen (z.B. Löhne, Arbeitszeit)
- Beschäftigte, die aus dem Staatshaushalt bezahlt werden, können Tarifverhandlungen führen, wobei die vertraglich festgelegten finanziellen Verpflichtungen (wie Gehaltsstufen) die in den Verordnungen des Ministerkabinetts vorgegebenen Beträge nicht überschreiten dürfen. In der öffentlichen Verwaltung sind Tarifverhandlungen reine Formsache, da alle Beschäftigungsbedingungen gesetzlich festgelegt werden.
Einschränkungen oder Verbot von Tarifverhandlungen in bestimmten Sektoren
- Sonstige Beamte und öffentlich Bedienstete
- Sonderfunktionen im Innenministerium und in der Gefängnisverwaltung sind vom Tarifverhandlungsrecht ausgeschlossen.
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht ist in der Verfassung verankert.
Das Streikrecht wird gesetzlich anerkannt.
Verbot oder Einschränkungen bestimmter Arten von Streiks
- Beschränkungen hinsichtlich des Streikziels (z.B. Arbeitskonflikte, wirtschaftliche und soziale Fragen, politische, Sympathie- und Solidaritätsstreiks)
- Solidaritätsstreiks gelten als illegal, es sei denn, bei dem Konflikt geht es um einen Gesamtarbeitsvertrag, d.h. um einen Tarifvertrag auf sektoraler Ebene. Politische Streiks sind verboten.
Einschränkungen oder Verbot von Streiks in bestimmten Sektoren
- Übertriebene Beschränkungen für „Staatsbedienstete“
- Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Beschäftigte anderer Rettungsdienste, Grenzsoldaten, Beschäftigte staatlicher Sicherheitseinrichtungen, Gefängnispersonal und Angehörige der Streitkräfte sind nicht streikberechtigt.
- Willkürliche Festlegung oder übermäßig lange Liste „wesentlicher Dienste“, in denen Streiks untersagt oder stark eingeschränkt sind
- Gemäß dem Streikgesetz ist während eines Streiks in Betrieben oder Gemeinschaftsunternehmen, Organisationen und Institutionen ein Minimum an "wesentlichen Diensten", deren Unterbrechung die Sicherheit, die Gesundheit und das Leben des Staates, der gesamten Gesellschaft, einer Bevölkerungsgruppe oder einzelner Personen gefährden würde, aufrechtzuerhalten. Zu den wesentlichen Diensten gehören: ärztliche und Rettungsdienste; das öffentliche Verkehrswesen; die Trinkwasserversorgung; die Elektrizitäts- und Gasversorgung; die Kommunikationsbranche; die Luftverkehrskontrolle und deren meteorologischer Dienst; die Verkehrssicherheit generell; die Abfall- und Abwasserwirtschaft sowie die Wasseraufbereitung; die Lagerung, Behandlung und Kontrolle radioaktiver Produkte und Abfälle und der Zivilschutz.
Praxis
Der Gewerkschaftsbund LBAS berichtet, dass JSC Liepājas Autobusu Parks, ein Verkehrsunternehmen in Liepaja, der dortigen Betriebsgewerkschaft Betriebsgewerkschaft Damit kann entweder eine Unternehmensgewerkschaft oder eine gelbe Gewerkschaft gemeint sein (LAKRS) verboten habe, wichtige Informationen zu einer von ihr geplanten Sitzung anzuschlagen. Immer wenn die Gewerkschaft versucht habe, Mitteilungen anzubringen, seien diese vom Arbeitgeber unverzüglich zerrissen worden. Außerdem würden sämtliche Gewerkschaftssitzungen untersagt, die nicht mit der Geschäftsführung “abgestimmt” seien.
Laut LBAS seien zudem Beschäftigte, die der LAKRS angehörten, nach einem geplanten Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
bestraft worden. Im Mai 2019 hatte die LAKRS für den 30. Mai einen Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
angekündigt, um der Forderung nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 7 Euro pro Stunde Nachdruck zu verleihen. Am 28. Mai hat sich das Unternehmen an ein Gericht gewandt, um den Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
für rechtswidrig erklären zu lassen. Das Gericht entschied am 17. Juni, dass der Streikaufruf rechtswidrig gewesen sei, und der Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
musste abgesagt werden.
Im Anschluss daran bekamen aktive Gewerkschaftsmitglieder Bezüge nicht ausgezahlt, die andere Beschäftigte, die der Gewerkschaft nicht angehörten, erhielten. Aktive Gewerkschafter*innen bekamen für das Jahr 2019 keine Jahresprämien, während andere 50 Euro erhielten. Darüber hinaus hat das Unternehmen 2018 damit begonnen, LAKRS-Mitglieder für “schlechte” Routen einzuteilen und ihnen ältere Busse zuzuweisen, um sie zu schikanieren und zu diskriminieren.
Als die LAKRS im Laufe des Jahres versucht hat, Tarifverhandlungen zu beginnen, hat die Betriebsleitung sämtliche Vorschläge der Gewerkschaft schlichtweg abgelehnt, aber auch keinerlei Gegenvorschläge gemacht, um die Verhandlungen voranzubringen, so dass letztendlich kein Tarifvertrag
Tarifvertrag
Eine gewöhnlich schriftliche Vereinbarung, die die Ergebnisse von Kollektiv-/Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern enthält.
vgl. Kollektiv-/Tarifverhandlungen
abgeschlossen wurde.
Der Luftnavigationsdienstleister SJSC „Latvian Air Traffic“ rief mehrere Fluglotsen in kleinen Gruppen zur Geschäftsführung und befragte sie einzeln nach ihrer Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft und ob sie mit der von der Gewerkschaftsvorsitzenden Ausra Straume unterzeichneten Beschwerde einverstanden seien, die beim Verkehrsminister erhoben worden war.
Hafenverwalter in Liepāja entließen, nachdem sie vergeblich versucht hatten, den geltenden Tarifvertrag
Tarifvertrag
Eine gewöhnlich schriftliche Vereinbarung, die die Ergebnisse von Kollektiv-/Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern enthält.
vgl. Kollektiv-/Tarifverhandlungen
durch die erzwungene Durchsetzung unterschiedlicher Lohnniveaus zu untergraben, zehn Mitglieder der Personalvereinigung des Hafens von Liepāja und beschuldigten sie des Diebstahls. Laut lettischem Arbeitsgesetz kann ein Gewerkschaftsmitglied jedoch nicht ohne die vorherige Zustimmung der Gewerkschaft entlassen werden. Bis September 2012 hatte ein Gericht sieben Anträge des Arbeitgebers auf die Entlassung der Beschäftigten zurückgewiesen und eine Suspendierung für illegal befunden.
Im April 2012 hat die lettische Post- und Telekommunikationsgewerkschaft LSAB einen Vertreter in den Vorstand des privaten Pensionsfonds gewählt, wie in Absatz 109 des Tarifvertrages zwischen der LSAB und Lattelecom vorgesehen. Bei einer Versammlung der Anteilseigner des JSC „First Closed Pension Fund" am 24. Mai 2012 ernannte Lattelecom jedoch zwei Arbeitgebervertreter, womit der LSAB-Vertreter von einer weiteren Mitwirkung im Vorstand ausgeschlossen wurde.
Inoffiziell gab es eine Vielzahl von Hinweisen auf gewerkschaftsfeindliche Propaganda von Seiten der Arbeitgeber, außerdem auf Fälle von Entlassungen und Herabstufungen oder Versetzungen sowohl von Aktivisten, die planten in ihrem Unternehmen eine Gewerkschaft zu etablieren, als auch von Vertretern existierender Gewerkschaften mit dem Zweck, die Aktivitäten der Gewerkschaft zu unterbinden. In diesen Fällen gibt es jedoch keine offiziellen Beweise und die Entlassungen oder Versetzungen von Beschäftigten werden immer durch Gegenbeweise gestützt, welche die Schuld des Arbeitnehmers demonstrieren. Beim derzeitigen wirtschaftlichen Klima und der hohen Erwerbslosenzahl ziehen die Arbeitnehmer es oft vor zu schweigen, um ihre Arbeitsstellen nicht zu gefährden. Solche Fälle wurden hauptsächlich in Ortsverbänden der Gewerkschaften in den Branchen Holzverarbeitung, zivile Luftfahrt und Industrie gemeldet.
Das neue Gesetz „zur Vergütung der Beamten und Angestellten staatlicher und lokaler Regierungsinstitutionen“ führte zu Problemen für die Verhandlungsführer bei Tarifverhandlungen im öffentlichen Sektor, denn das Gesetz ächtet alle Arten von tarifvertraglich ausgehandelten finanziellen Zuschüssen, es sei denn, sie sind gesetzlich vereinbart. Außerdem weigern sich einige der öffentlichen Arbeitgeber, an Tarifverhandlungen teilzunehmen.
Nach Schätzungen des lettischen Gewerkschaftsverbands LBAS gibt es auf dem privaten Sektor in multinationalen Unternehmen weniger Tarifverträge als in andern Unternehmen. Ausländische Unternehmen im Allgemeinen und multinationale Unternehmen im Besonderen versuchen, die Anwendung von Tarifverträgen auf ihre lettischen Niederlassungen zu umgehen. Handel, Banken und Personaldienstleister sind hierbei die am stärksten betroffenen Branchen. Andererseits, so berichtet der LBAS, ist die Beachtung von Tarifverträgen, wenn sie denn einmal abgeschlossen wurden, bei multinationalen Unternehmen in höherem Maß gesichert als bei anderen Unternehmen.