Libanon

Der IGB hat im Libanon keine Mitgliedsorganisation. Der Union Coordination Committee ist der wichtigste Dachverband des Landes.
Der Libanon hat 1977 das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen ratifiziert, nicht aber das Übereinkommen Nr. 87 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert.
Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen. Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Das Gesetz untersagt gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung, enthält aber keinen angemessenen Schutz.
Gesetzliche Hindernisse für die Gründung von Organisationen
- Vorherige Genehmigung oder Billigung der Behörden für die Gründung einer Gewerkschaft erforderlich
- Das Arbeitsministerium verfügt im Rahmen des Gesetzes über weitreichende Befugnisse und muss seine Genehmigung geben, bevor eine Gewerkschaft gegründet werden kann.
- Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Gründung von Ortsverbänden, Vereinigungen oder Dachverbänden oder auf den Beitritt zu nationalen oder internationalen Organisationen
- Gemäß Artikel 106 des Arbeitsgesetzes dürfen Gewerkschaften, die sich in Verbänden organisieren wollen, dies nur mit Genehmigung des Ministeriums für Volkswirtschaft tun.
Beschränkungen des Rechtes der Beschäftigten auf die Gründung von und den Beitritt zu Organisationen ihrer eigenen Wahl
- Gesetzlich vorgeschriebenes Gewerkschaftsmonopol und/oder ein System, das die Organisierung auf einer bestimmten Ebene (Betrieb, Branche/Sektor, regional, gebietsbezogen, national) verbietet oder einschränkt
- Artikel 85 des Arbeitsgesetzes: "Es ist verboten, dass dieselbe Gewerkschaft Personen zusammenfasst, die verschiedenen Berufen angehören, da alle Mitglieder der Gewerkschaft in denselben oder ähnlichen Berufen tätig sein müssen. Die Grenze zwischen ähnlichen Berufen und Beschäftigungen und die Grenzen der Berufe, deren Mitglieder berechtigt sind, untereinander Gewerkschaften zu bilden, werden durch Verordnung des Ministers für Volkswirtschaft auf Vorschlag des Ministeriums für soziale Angelegenheiten festgelegt".
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Festlegung ihrer Satzungen und Bestimmungen
- Gemäß Artikel 89 des Arbeitsgesetzes muss sich jede Gewerkschaft eine Geschäftsordnung geben, die von der Mitgliederversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder genehmigt wird. Sie werden erst nach Genehmigung durch das Ministerium für Volkswirtschaft anwendbar sein.
- Beschränkungen des Rechtes auf die Wahl ihrer Vertreter/innen und auf ungehinderte Selbstverwaltung
- Das Arbeitsministerium kontrolliert sämtliche Aspekte von Gewerkschaftswahlen (Termin, Verfahren sowie Bestätigung der Ergebnisse).
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Organisation von Aktivitäten und die Formulierung von Programmen
- Gewerkschaften sind politische Aktivitäten gesetzlich untersagt.
- Behördliche Befugnis, Gewerkschaften im Alleingang aufzulösen, vorübergehend zu verbieten oder deren Zulassung aufzuheben
- Das Gesetz ermöglicht die administrative Auflösung von Gewerkschaften.
- Sonstige gesetzlich zulässige externe Eingriffe
- Gemäß Artikel 98 des Arbeitsgesetzes muss der Beitragssatz durch die Geschäftsordnung festgelegt werden und kann nur durch die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Ausschusses und die Ratifizierung durch die Generalversammlung und das Ministerium für Volkswirtschaft geändert werden". Darüber hinaus ist es laut Artikel 103 des Gesetzes "dem Vorstand der Gewerkschaft verboten, ohne die Zustimmung der Generalversammlung und die Genehmigung des Ministeriums für nationale Wirtschaft Schulden zu machen oder Spenden anzunehmen, die 1.000 libanesische Pfund übersteigen".
Gruppen von Beschäftigten, die Gewerkschaften laut Gesetz weder gründen noch beitreten oder ein Gewerkschaftsamt bekleiden dürfen bzw. nur mit Einschränkungen
- Sonstige Beamte oder öffentlich Bedienstete
- Staatsbediensteten ist die Gründung von und der Beitritt zu Gewerkschaften und Gewerkschaftsdachverbänden untersagt.
- Beschäftigte in der Landwirtschaft
- Einige Beschäftigungsgruppen in der Landwirtschaft fallen nicht unter das Arbeitsgesetz des Landes.
- Hausangestellte
- Hausangestellte haben nicht das Recht, Gewerkschaften zu gründen und beizutreten.
- Zeit-/Leiharbeitskräfte
- Tagelöhner und Zeitarbeitskräfte im öffentlichen Dienst fallen nicht unter das Arbeitsgesetz des Landes.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt, jedoch nicht angemessen begünstigt und gefördert.
Gesetzliche Hindernisse für die Anerkennung von Tarifparteien
- Übermäßige Bestimmungen bezüglich der Repräsentativität oder Mindestmitgliederzahl von Gewerkschaften mit Blick auf Tarifverhandlungen
- Mindestens 60% der Beschäftigten müssen zustimmen, bevor eine Gewerkschaft Tarifverhandlungen führen kann.
Beschränkungen des Geltungsbereichs und der Rechtswirksamkeit abgeschlossener Tarifverträge
- Übermäßig hohe Mehrheit für die Billigung eines Tarifvertragsentwurfs erforderlich
- Ein Tarifvertrag muss bei einer Vollversammlung von zwei Dritteln der Gewerkschaftsmitglieder gebilligt werden.
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Sonstige übertriebene, unsinnige oder ungerechtfertigte Auflagen
- Das Streikrecht wird dadurch eingeschränkt, dass die Teilnehmerzahl im Voraus festgelegt werden muss und dass 5% der Gewerkschaftsmitglieder während des Streiks für Ordnung zu sorgen haben.
Bestimmungen, die die Streikmöglichkeiten oder die Wirksamkeit eines Streiks untergraben
- Übermäßige Haftung für durch Streiks verursachte Schäden
- Die Organisatoren müssen ein Dokument unterschreiben, in dem sie erklären, dass sie für während der Demonstration entstandene etwaige Schäden die volle Verantwortung übernehmen.
- Sonstige gesetzliche Bestimmungen, die das Streikrecht untergraben
- Gemäß Artikel 340 des Strafgesetzbuches können Beamte wegen ihrer Teilnahme an einem Streik zurückgestuft werden.
Praxis
Zwei nepalesische Hausangestellte, Sujana Rana (bekannt als Zogana Rana) und Roja Linmbu (bekannt als Rosie Limbaugh), beide aktive Mitglieder der libanesischen Hausangestelltengewerkschaft, wurden von den libanesischen Behörden Ende November/Anfang Dezember fünf Tage lang inhaftiert, weil sie sich an einer Kampagne für menschenwürdige Arbeitsbedingungen für die ausländischen Hausangestellten in dem Land beteiligt hatten.
Die Verhaftung der beiden Frauen war eindeutig diskriminierend und eine Vergeltungsmaßnahme. Sie kämpften für bessere Arbeitsbedingungen für die 250.000 überwiegend aus Äthiopien, den Philippinen, Nepal und Sri Lanka stammenden ausländischen Hausangestellten in dem Land, die oft von ihren Arbeitgebern körperlich und seelisch misshandelt werden und zum Teil das Haus nicht verlassen dürfen oder keinen einzigen freien Tag haben.
Der Bürgermeister der libanesischen Ortschaft Deir al-Ahmar hat einen Streik verboten, zu dem syrische Vertriebene aufgerufen hatten, wobei er mit der Repatriierung derjenigen Arbeiter drohte, die sich an dem Streik beteiligten. Mit der kollektiven Aktion sollten die inhumanen, entwürdigenden und diskriminierenden Bedingungen syrischer Beschäftigter verurteilt werden, ebenso wie ihre Diskriminierung seitens der Ortschaft selbst, der Sicherheitskräfte und einiger Einwohner.
Am 29. Dezember 2014 haben sechs libanesische Beschäftigte beim Arbeitsministerium die Gründung einer Gewerkschaft für Hausangestellte beantragt, die gegenwärtig nicht durch das libanesische Arbeitsgesetz geschützt sind. Der Gewerkschaft würden Hausangestellte und andere angehören, die Pflegedienste für ältere und behinderte Menschen erbringen, Reinigungsarbeiten verrichten oder ähnliche Berufe ausüben.
Am 25. Januar 2015 haben sich mit Unterstützung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) und der Gewerkschaftsorganisation FENASOL im Libanon ca. 350 Hausangestellte verschiedener Nationalitäten zum Gründungskongress der Gewerkschaft versammelt. Laut Gewerkschaftsmitgliedern haben sie jedoch keine Antwort auf ihren Antrag erhalten, und Arbeitsminister Sejaan Azzi habe die Gewerkschaft Medienberichten zufolge als illegal bezeichnet.
Das libanesische Arbeitsgesetz aus dem Jahr 1946 schließt sowohl libanesische als auch ausländische Hausangestellte ausdrücklich von seinem Geltungsbereich aus und verweigert ihnen Schutzmaßnahmen, die für andere Beschäftigte gelten. Im Libanon sind schätzungsweise 250.000 ausländische Hausangestellte beschäftigt, hauptsächlich aus Sri Lanka, Äthiopien, den Philippinen und Nepal. Gemäß Artikel 92 des Arbeitsgesetzes wird allen ausländischen Arbeitskräften das Recht, Gewerkschaftsvertreter zu wählen oder sich selbst als Gewerkschaftsvertreter wählen zu lassen, explizit verweigert.
Infolgedessen wird Tausenden Beschäftigten das Recht auf Vereinigungsfreiheit und auf Tarifverhandlungen abgesprochen, und der gesetzliche Schutz für ausländische und einige libanesische Arbeitskräfte ist unzureichend, so dass sie Missbrauch und Ausbeutung ausgeliefert sind.
Zu den häufigsten von den Botschaften der Entsendeländer und von nichtstaatlichen Gruppen dokumentierten Beschwerden gehören Misshandlungen durch Arbeitsvermittler, die Nichtzahlung oder verspätete Zahlung der Löhne, das Verbot, den Arbeitsplatz zu verlassen, die Verweigerung jeglicher Freizeit, Zwangsarbeit sowie verbale und körperliche Übergriffe. Obwohl Vertreter der libanesischen Regierung wiederholt öffentlich angekündigt haben, dass sie die Bedingungen für Wanderarbeitskräfte verbessern würden, wurden bisher keine nennenswerten Reformen durchgeführt.
Berichten zufolge hat die Einzelhandelskette Spinneys, die 1.500 Arbeitskräfte beschäftigt, drei Angestellte wegen ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft entlassen (Samir Tawk, Miled Barakat und Elie Abi Hanna), womit sie gegen Artikel 329 des libanesischen Strafgesetzbuches verstoßen hat. Die Beschäftigten hatten von der Geschäftsführung die Inkraftsetzung der im Februar 2012 beschlossenen Erhöhung des Mindestlohns gefordert, woraufhin Spinneys mit Entlassungen drohte. Der Vorstandsvorsitzende Michael Wright muss sich jetzt vor dem Strafgericht verantworten.
Die Privatschule Mar Elias Batina in Beirut hat Hanna Gharib, die Vorsitzende des Union Coordination Committee, ersetzt, die im März 2013 einen Lehrerstreik organisiert hatte. Am 1. April 2013 beschloss die Schulleitung, dass Hanna Gharib weiter an der Schule unterrichten könne. Die Lehrkräfte hatten für Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst gestreikt. Das Arbeitsministerium verurteilte die ursprüngliche Entscheidung der Schule und erklärte, dass dies einen Angriff auf die gesamte Gewerkschaftsbewegung darstelle.
Im Februar organisierte der Union Coordination Committee einen Streik, an dem sich die Staatsbedienstetenvereinigung und die Gewerkschaft der Lehrkräfte an öffentlichen und privaten Schulen beteiligten, um gegen die Verzögerungstaktiken der Regierung hinsichtlich der Vorlage des Lohngesetzes im Parlament zu protestieren. Die Regierung reagierte darauf mit der Einschüchterung der Beschäftigten durch die Sicherheitskräfte, die gegenüber dem Union Coordination Committee ankündigten, dass während des Streiks alle zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlichen Maßnahmen ergriffen würden.
Die Regierung hat häufig in Gewerkschaftsangelegenheiten eingegriffen und Konflikte innerhalb der Gewerkschaftsbewegung angezettelt oder geschürt. Es ist führenden Politikern gelungen, ihre Kandidaten in das Führungsgremium des Gewerkschaftsdachverbandes CGTL zu schleusen, was zu internen Kämpfen führt, wenn sich die Organisation gegen die Regierungspolitik ausspricht. Bei Gewerkschaftswahlen im Januar kam es zu Konflikten im Zusammenhang mit angeblich pro-syrischen Tendenzen.
Die rund 400.000 palästinensischen Flüchtlinge im Libanon, die 11% der Bevölkerung ausmachen, dürfen keine Gewerkschaften gründen, da eine Gegenseitigkeitsvereinbarung mit ihrem Heimatland bestehen muss. Früher durften sie viele Berufe nicht ausüben, aber kraft eines neuen Gesetzes haben palästinensische Flüchtlinge dieselben Rechte bei der Arbeit erhalten wie andere Ausländer.