Saudi-Arabien
Der IGB hat in Saudi-Arabien keine Mitgliedsorganisation.
Saudi-Arabien hat weder das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) noch das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1949) ratifiziert.
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Gewerkschaftliche Organisierung ist verboten.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Die Beschäftigten sind vor gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung nicht ausdrücklich gesetzlich geschützt.
Gesetzliche Hindernisse für die Gründung von Organisationen
- Exzessive Mindestmitgliederzahl für die Gründung einer Gewerkschaft erforderlich
- Saudische Beschäftigte haben das Recht, in Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten Arbeitnehmerausschüsse einzurichten.
- Verhängung von Strafen für die Gründung von oder den Beitritt zu einer nicht offiziell anerkannten Organisation
- Wer versucht, eine Gewerkschaft zu gründen, muss mit einer Entlassung, einer Gefängnisstrafe oder (im Falle von Wanderarbeitskräften) mit einer Ausweisung rechnen
Beschränkungen des Rechtes der Beschäftigten auf die Gründung von und den Beitritt zu Organisationen ihrer eigenen Wahl
- Gesetzlich vorgeschriebenes Gewerkschaftsmonopol und/oder ein System, das die Organisierung Organisierung Der auf die Gründung von oder den Beitritt zu einer Gewerkschaft hinauslaufende Prozess bzw. Bemühungen darum, dass andere Beschäftigte eine Gewerkschaft gründen oder einer Gewerkschaft beitreten. auf einer bestimmten Ebene (Betrieb, Branche/Sektor, regional, gebietsbezogen, national) verbietet oder einschränkt
- In jedem in Frage kommenden Betrieb ist nur ein Arbeitnehmerausschuss zulässig.
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Festlegung ihrer Satzungen und Bestimmungen
- Die Regierung muss die Statuten und die Mitglieder der Arbeitnehmerausschüsse billigen.
- Beschränkungen des Rechtes auf die Wahl ihrer Vertreter/innen und auf ungehinderte Selbstverwaltung
- Der Minister für Arbeit und Soziales und die Betriebsleitung sind berechtigt, einen Vertreter zu den Sitzungen der Arbeitnehmerausschüsse zu entsenden, und das Protokoll der Sitzungen ist der Betriebsleitung vorzulegen, die es anschließend an den Minister weiterleitet.
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Organisation von Aktivitäten und die Formulierung von Programmen
- Öffentliche Demonstrationen politischer Art sind verboten.
- Behördliche Befugnis, Gewerkschaften im Alleingang aufzulösen, vorübergehend zu verbieten oder deren Zulassung aufzuheben
- Das Arbeitsministerium kann einen Arbeitnehmerausschuss auflösen, wenn dieser gegen geltende Bestimmungen verstößt oder die öffentliche Sicherheit gefährdet.
Gruppen von Beschäftigten, die Gewerkschaften laut Gesetz weder gründen noch beitreten oder ein Gewerkschaftsamt bekleiden dürfen bzw. nur mit Einschränkungen
- Ausländische oder Wanderarbeitskräfte
- Ausländische Beschäftigte können den Arbeitnehmerausschüssen nicht angehören.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird weder gesetzlich anerkannt noch begünstigt oder gefördert.
Streikrecht
Streikrecht
Streiks sind verboten.
Praxis
Vierundzwanzig Arbeiter aus den indischen Bundesstaaten Andhra Pradesh, Telangana und Odisha, die von einer Agentur an das Unternehmen Amal al-Muqauril in Riad vermittelt wurden, beklagen sich darüber, wie Sklaven behandelt zu werden und u.a. zehn Tage lang nichts zu essen und zu trinken bekommen zu haben. Die Arbeiter hatten ihre Visa über ein Unternehmen namens Voltech in der indischen Stadt Chennai erhalten und waren im Dezember 2016 nach Riad geflogen. Sie berichten, vom ersten Tag an Opfer von sowohl körperlicher als auch seelischer Folter bei dem Unternehmen gewesen zu sein. Sie haben sich schließlich über WhatsApp-Mitteilungen an lokale indische Medien Gehör verschafft und die indische Regierung gebeten, sie zu retten. Mithilfe der indischen Botschaft haben sie ihre Ausreisegenehmigungen erhalten, aber das Unternehmen weigert sich, sie gehen zu lassen. Im April 2017 haben indische Beamte zugesagt, die Arbeiter zu retten.
Anfang Januar hat der saudische Strafgerichtshof in Mekka Beschäftigte wegen „Zerstörung öffentlichen Eigentums und Unruhestiftung“ während eines Protestes gegen die Nichtzahlung ihrer Löhne bestraft. Neunundvierzig ehemalige Beschäftigte der Binladin-Gruppe wurden zu 300 Peitschenhieben und bis zu vier Monaten Haft verurteilt, weil sie gegen monatelang nicht gezahlte Löhne protestiert und im Mai 2016 die Busse des Unternehmens in Brand gesetzt hatten, nachdem das Königreich nach dem Einbruch der Öleinnahmen nicht mehr in der Lage war, private Firmen, mit denen es Verträge abgeschlossen hatte, zu bezahlen.
Die Regierung verhängt bisher keine nennenswerten Strafen gegen Unternehmen, die den Beschäftigten ihre Löhne nicht auszahlen, und viele der überhaupt nicht oder zu gering bezahlten ausländischen Beschäftigten haben noch offene Lohnforderungen, wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren. Während des Jahres 2016 haben beispielsweise Verzögerungen bei großen Bauprojekten wegen des Rückgangs der Ölpreise und Subventionskürzungen dazu geführt, dass mehr als 5.000 philippinische Arbeitskräfte repatriiert wurden, ohne ihre Löhne erhalten zu haben.
Das viel gepriesene Lohnschutzsystem, das seit 2013 allmählich eingeführt wird, hat Lohnmissbrauch nicht verhindern oder beseitigen können. Das System sollte auf ausstehende Monatszahlungen aufmerksam machen, woraufhin die Behörden eine Untersuchung einleiten und die erforderlichen Strafen verhängen müssten. Das System gewährt ausländischen Arbeitskräften jedoch kaum Schutz, da es nach wie vor zahlreiche Hindernisse für sie gibt, zu ihrem Recht zu kommen, u.a. hohe Gerichtskosten, verständnislose Behörden und eine ineffiziente Justiz. Das saudische Justizministerium hat die Einrichtung neuer Arbeitsgerichte bis Ende 2016 angekündigt, um diese Verfahren zu beschleunigen, aber es hat bislang keine diesbezüglichen Fortschritte gegeben.
Wie zu viktorianischen Zeiten wurden Hausangestellte auf einem der Märkte von Dhahran angeboten, deren Arbeit „stundenweise“ verkauft wurde.
Der Binladin-Baukonzern hat 77.000 ausländische Arbeitskräfte entlassen und ihnen Ausreisegenehmigungen erteilt. Die Beschäftigten haben sich jedoch geweigert, das Land ohne die ihnen zustehenden Lohnzahlungen für vier bis sechs Monate zu verlassen. Da sie ihre Löhne nicht erhalten hatten, waren sie gezwungen, sich Geld zu leihen, um ihre Mieten zahlen und in dem Land überleben zu können. Das Unternehmen, das die Zahl und Nationalitäten der betroffenen Arbeiter nicht genannt hat, hat erklärt, dass es seine Verpflichtungen einhalten werde, falls „weitere Arbeitskräfte freigesetzt“ würden.
Binladin darf keine neuen Bauprojekte in dem Land übernehmen, solange die Untersuchung seines Kraneinsturzes vom September 2015 an der Großen Moschee in Mekka nicht geklärt ist, bei dem mehr als 100 Menschen getötet wurden.
Etwa 8,3 Millionen Migranten sind legal in Saudi-Arabien beschäftigt. Sie machen 90 - 95% der Erwerbsbevölkerung im privaten Sektor aus. Viele von ihnen fallen unterschiedlichen Formen von Ausbeutung zum Opfer, zum Teil unter sklavenähnlichen Bedingungen. In zahlreichen Fällen werden die Wanderarbeitskräfte von Vermittlungsagenturen ausgebeutet, die ihnen wesentlich mehr versprechen als sie in Saudi-Arabien bekommen.
Das Kafala-System (ein Bürgensystem) macht die Aufenthaltsgenehmigung der Arbeitsmigranten vom guten Willen ihres Arbeitgebers abhängig. Wanderarbeitskräfte können den Arbeitgeber nur dann wechseln und das Land nur dann verlassen, wenn sie die schriftliche Genehmigung ihres ersten Arbeitsgeber oder Bürgen erhalten. Dieses System begünstigt Missbräuche wie die Konfiszierung der Pässe durch den Arbeitgeber, Zwangsarbeit, Nichtzahlung der Löhne usw. Das Bürgensystem und die Schwerfälligkeit der Gerichtsverfahren führen dazu, dass sich Arbeitsmigranten in einer Konfliktsituation mit ihrem Arbeitgeber in einer ausweglosen Situation befinden: Sie können weder weiterarbeiten noch nach Hause zurückkehren. Obwohl ihre Pässe konfisziert werden, gelingt einigen die Flucht in ihre Botschaft. In den indonesischen Medien wurde berichtet, dass das indonesische Konsulat in Dschidda zwischen dem 19. September und dem 24. Oktober 4.550 Reiseunterlagen an Beschäftigte ausgegeben hat, die von ihrem Arbeitgeber geflüchtet waren, nachdem sie nicht mehr bezahlt oder anderweitig missbraucht worden waren. Es handelte sich dabei hauptsächlich im Hausangestellte und Fahrer.
Trotz des Streikverbots fanden mehrere illegale Streiks von Wanderarbeitskräften statt, häufig aufgrund der Nichtzahlung der Löhne.
Die Löhne und Gehälter werden nach wie vor von den Arbeitgebern festgelegt und sind je nach der Art der Tätigkeit und der Staatsangehörigkeit der Beschäftigten unterschiedlich. In großen multinationalen Unternehmen werden saudische und westliche Mitarbeiter im Allgemeinen besser bezahlt als die anderen Arbeitnehmer.