Libyen

Seit dem Sturz und dem anschließenden Tod des ehemaligen Staatschefs Muammar al-Qaddafi im Oktober 2011 hat Libyen mit dem Wiederaufbau der staatlichen Institutionen zu kämpfen. Rivalisierende bewaffnete Gruppen, darunter Sicherheitskräfte, die der in Tripolis ansässigen Regierung der Nationalen Eintracht (GNA) angehören, und Milizen, die der rivalisierenden Übergangsregierung im Osten Libyens treu sind, kämpfen weiter, töten Zivilisten und zerstören lebenswichtige Infrastrukturen. Schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen sind in Libyen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zehntausende von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten befinden sich weiterhin in einer trostlosen Lage, da sie willkürlichen Verhaftungen und Entführungen durch Milizen ausgesetzt waren und regelmäßig Opfer von Menschenhandel und Misshandlungen durch kriminelle Gruppen werden.
Im März 2020 ernannten die libyschen Delegierten eine Regierung der nationalen Einheit als neue Interimsbehörde, die an die Stelle der vorherigen gegnerischen Behörden treten sollte. Bewaffnete Gruppen und Behörden sind nach wie vor für systematische Misshandlungen verantwortlich, darunter Tausende, die seit langem willkürlich inhaftiert sind, rechtswidrige Tötungen, Folter und gewaltsames Verschwindenlassen.
Der IGB hat in Libyen keine Mitgliedsorganisation.
Libyen hat das Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit
Vereinigungsfreiheit
Das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften nach eigener Wahl sowie das Recht der Gewerkschaften, ungehindert zu arbeiten und ihre Aktivitäten ohne unzulässige Eingriffe zu verrichten.
vgl. IGB-Leitfaden für internationale Gewerkschaftsrechte
und den Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) im Jahr 2000 und das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1949) im Jahr 1962 ratifiziert.
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen. Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Das Gesetz untersagt gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung, enthält aber keinen angemessenen Schutz.
Gesetzliche Hindernisse für die Gründung von Organisationen
- Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Gründung von Ortsverbänden, Vereinigungen oder Dachverbänden oder auf den Beitritt zu nationalen oder internationalen Organisationen
- Laut Arbeitsgesetz kann einer Gewerkschaft vom Minister für Arbeit und Soziales die Einrichtung von Ortsverbänden in den Provinzen genehmigt werden. Eine Gewerkschaft sollte mindestens 100 Mitglieder haben, um zugelassen zu werden. Eine Gewerkschaft kann in jedem Betrieb, in dem mindestens 50 Gewerkschaftsmitglieder beschäftigt sind, einen Gewerkschaftsausschuss einrichten. Keine Gewerkschaft darf Verbindungen zu einer ausländischen Gewerkschaft haben.
Beschränkungen des Rechtes der Beschäftigten auf die Gründung von und den Beitritt zu Organisationen ihrer eigenen Wahl
- Gesetzlich vorgeschriebenes Gewerkschaftsmonopol und/oder ein System, das die Organisierung Organisierung Der auf die Gründung von oder den Beitritt zu einer Gewerkschaft hinauslaufende Prozess bzw. Bemühungen darum, dass andere Beschäftigte eine Gewerkschaft gründen oder einer Gewerkschaft beitreten. auf einer bestimmten Ebene (Betrieb, Branche/Sektor, regional, gebietsbezogen, national) verbietet oder einschränkt
- Die Mitgliedschaft bei der General Trade Union Federation of Workers (GTUFW) ist automatisch, obwohl die Beschäftigten das Recht haben, auszutreten. Unabhängige Gewerkschaften sind verboten. Die Gründung von mehr als einer Gewerkschaft oder Vereinigung für dieselbe Berufsgruppe ist nicht zulässig.
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Organisation von Aktivitäten und die Formulierung von Programmen
- Laut Arbeitsgesetz ist die Vollversammlung einer Gewerkschaft der zuständigen Behörde mindestens 15 Tage vor der Sitzung anzukündigen. Die Behörde kann einen Beamten benennen, der sie bei der Sitzung vertritt. Ohne Genehmigung des Minsters für Arbeit und Soziales sollten Gewerkschaften keine Spenden oder Vermächtnisse annehmen.
Gruppen von Beschäftigten, die Gewerkschaften laut Gesetz weder gründen noch beitreten oder ein Gewerkschaftsamt bekleiden dürfen bzw. nur mit Einschränkungen
- Sonstige Berufsgruppen
- Die Gewerkschaftsmitgliedschaft sollte ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgegeben werden.
- Ausländische oder Wanderarbeitskräfte
- Nur libysche Staatsangehörige können Gewerkschaftsmitglied werden.
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt, jedoch nicht angemessen begünstigt und gefördert.
Beschränkungen des Grundsatzes ungehinderter und freiwilliger Verhandlungen
- Ausschluss bestimmter Themen von Tarifverhandlungen (z.B. Löhne, Arbeitszeit)
- Das Arbeitsgesetz verlangt, dass sich die Klauseln von Tarifverträgen im Einklang mit dem nationalen wirtschaftlichen Interesse befinden, womit gegen das Prinzip freiwilliger Tarifverhandlungen und die Unabhängigkeit der Tarifparteien verstoßen wird. Zudem legt die Regierung dir Gehälter einseitig fest.
- Befugnis der Behörden oder Arbeitgeber, den Inhalt und den Geltungsbereich von Tarifverträgen einseitig aufzuheben, abzuändern oder auszuweiten
- Das Arbeitsgesetz verlangt, dass sich die Klauseln von Tarifverträgen im Einklang mit dem nationalen wirtschaftlichen Interesse befinden. Diese Bestimmung ermöglicht es der Regierung, jede Forderung abzulehnen, die sie für unvereinbar mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Interessen hält.
Einschränkungen oder Verbot von Tarifverhandlungen in bestimmten Sektoren
- Sonstige Beamte und öffentlich Bedienstete
- Nicht in der Staatsverwaltung tätige öffentlich Bedienstete fallen nicht unter Tarifverträge.
- Sonstige Gruppen
- Beschäftigte in der Landwirtschaft und Seeleute fallen nicht unter Tarifverträge.
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Obligatorische Schieds- oder langwierige Schlichtungs- und Vermittlungsverfahren vor einem Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik - Abschnitt 150 des Arbeitsgesetzes besagt, dass ein rechtmäßiger Streik nur dann möglich ist, wenn sämtliche Vermittlungs- und Schiedsverfahren ausgeschöpft wurden. Im Falle eines kollektiven Konfliktes kann ein obligatorisches Schiedsverfahrens auf Antrag lediglich einer der Parteien oder der staatlichen Behörden eingeleitet werden, und der daraus hervorgehende Schiedsspruch ist für beide Parteien bindend. Die IAO hat festgestellt, dass dieses System ein Verbot praktisch aller Streiks bzw. deren rasche Beendigung ermöglicht.
Bestimmungen, die die Streikmöglichkeiten oder die Wirksamkeit eines Streiks untergraben
- Übermäßige zivil- oder strafrechtliche Sanktionen für Beschäftigte oder Gewrkschaften, die sich an nicht genehmigten Streiks beteiligen
- Abschnitt 150 des Arbeitsgesetzes besagt, dass ein rechtmäßiger Streik nur dann möglich ist, wenn sämtliche Vermittlungs- und Schiedsverfahren ausgeschöpft wurden, und Abschnitt 176 sieht im Falle eines Verstoßes gegen diese Bestimmung eine einmonatige Haftstrafe oder eine Geldbuße vor.
Praxis
Am 8. November wurde Nermin Al-Sharif, führende Vertreterin der libyschen Hafenarbeiter- und Seeleutegewerkschaft, Opfer eines Mordversuchs. Die in der internationalen Gewerkschaftsbewegung bekannte und in der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) aktive Gewerkschafterin saß am Steuer eines Wagens in der Nähe von Bengasi, als sie von zwei anderen Fahrzeugen verfolgt wurde, deren Insassen Schüsse auf sie abfeuerten. Sie wurde getroffen und konnte einen Unfall nicht verhindern, woraufhin sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Es war bereits der zweite Mordanschlag auf Nermin Al-Sharif, die wie viele andere Menschenrechtsverfechter auch zur Zielscheibe von Fanatikern geworden ist. Die ITF hat gemeinsam mit LabourStart eine Petition in Umlauf gebracht, um Ministerpräsident Abdullah al-Thinni dazu zu veranlassen, GewerkschafterInnen und MenschenrechtlerInnen zu schützen. Vor kurzem wurden drei weitere in Libyen bekannte Aktivisten ermordet.
Der erste von einer libyschen Zivilluftfahrtgewerkschaft organisierte Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
, der Ende Mai den gesamten Flughafenbetrieb des Landes lahmgelegt hatte, musste ausgesetzt werden, um die Versorgung der Verwundeten zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Chaos und der andauernden Kämpfe, die sich die Milizen liefern, sind die Beschäftigten permanent Gefahren und immensem Leid ausgesetzt. Anfang 2015 hatten die Luftfahrtgewerkschaft Syndicat général du transport aérien (GATU) und eine andere Gewerkschaft dieser Branche vergeblich versucht, einen Dialog mit ihrem Arbeitgeber zu beginnen. Auch wenn er aus humanitären Gründen ausgesetzt werden musste, hat es der daraufhin begonnene Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
den beiden Gewerkschaften ermöglicht, die Einrichtung eines Betriebsrates auszuhandeln, in dessen Rahmen die Arbeitnehmerforderungen diskutiert werden können.
Die Ölarbeiter traten in den Ausstand, um bessere Löhne und eine Verfassungsreform zu fordern. Der Streik
Streik
Die gängigste Form einer Arbeitskampfmaßnahme; eine kollektive Arbeitsniederlegung der Beschäftigten für eine bestimmte Zeit; kann vielfältige Formen annehmen.
vgl. Generalstreik, unterbrochener Streik, rollierender Streik, Sitzstreik, Sympathiestreik, wilder Streik, Bummelstreik
begann im Juni 2013 und brachte praktisch die gesamte Produktion und das Exportgeschäft an den wichtigen Terminals von Ras Lanuf, Sedra, Brega und Zoueitina an der Zentralküste zum Stillstand. Die Regierung drohte daraufhin mit einem Militäreinsatz, um Ruhe in den Ölsektor zu bringen.
Nach 42 Jahren autokratischer Herrschaft, während der unabhängige gewerkschaftliche Aktivitäten nicht geduldet wurden, gibt es in Libyen keine Tradition der gewerkschaftlichen Organisierung Organisierung Der auf die Gründung von oder den Beitritt zu einer Gewerkschaft hinauslaufende Prozess bzw. Bemühungen darum, dass andere Beschäftigte eine Gewerkschaft gründen oder einer Gewerkschaft beitreten. . Der einzige nationale Dachverband GTUFW (General Trade Union Federation of Workers), stand trotz der Forderungen nach mehr Unabhängigkeit in den letzten Jahren unter der Kontrolle der Regierung. Privatisierungen und eine zunehmende Zahl von ausländischen Unternehmen haben in den letzten Jahren teilweise dazu geführt, dass Arbeitnehmer versuchen, Arbeitskampfmaßnahmen außerhalb der offiziellen Strukturen zu ergreifen, wenn auch mit wenig Wirkung. Seit dem Aufstand haben auch einige Beschäftigte im öffentlichen Dienst damit begonnen, ihre Rechte mit Nachdruck einzufordern. Pflegepersonal und Medienschaffende haben im November in Bengasi mit Protesten begonnen und ein Ende der Korruption in der Verwaltung sowie bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Wegen ausstehender Gehaltszahlungen und Versorgungsknappheit haben auch Mitarbeiter des Marinestützpunkts protestiert. Es muss noch viel getan werden, damit solche Protestbewegungen in den Aufbau einer starken unabhängigen Arbeiterbewegung münden können.
Der wirtschaftliche Boom Libyens hat dazu geführt, dass verstärkt Arbeitskräfte aus dem Maghreb, Afrika südlich der Sahara und Asien ins Land geholt wurden. Nach Schätzungen kommen über ein Fünftel der Beschäftigten aus dem Ausland. Diejenigen aus dem Maghreb werden meist recht gut behandelt, während Migranten aus den Ländern südlich der Sahara und verstärkt auch aus Asien oft die niedrigen Arbeiten verrichten. Während des Jahres mussten Hunderte von nepalesischen und indischen Beschäftigten von ihren Regierungen in die Heimat zurückgeholt werden, weil sie überhaupt kein Geld mehr erhielten, und etwa 200 Beschäftigte aus Bangladesch streikten zwei Wochen lang, weil Löhne nicht ausbezahlt wurden und sie von Vorgesetzten verprügelt wurden. Ausländische Arbeitnehmer dürfen weder eigene Gewerkschaften gründen noch ein Gewerkschaftsamt bekleiden, und die offiziellen Gewerkschaften scheinen nichts zu unternehmen, um sie zu unterstützen oder sie zu organisieren.
Die Regierung hat das Recht, die Löhne und Gehälter einseitig festzulegen, und sie kann auch einseitige Gehaltskürzungen vornehmen, wie in der jüngeren Vergangenheit wiederholt geschehen, z. B. bei der staatlichen Fluggesellschaft. In der Praxis finden daher weder auf nationaler noch auf sektoraler Ebene wirkliche Tarifverhandlungen statt. Im Falle eines Konfliktes setzt sich der Gewerkschaftsdachverband Gewerkschaftsdachverband Dachorganisation auf nationaler, regionaler oder Bezirksebene, die sich aus ihren Mitgliedsgewerkschaften zusammensetzt; bezeichnet häufig einen Verband oder Dachverband eines Landes. mit der Betriebsleitung in Verbindung, um eine Lösung zu finden, und schließt eine individuelle Vereinbarung mit dem betroffenen Betrieb ab.