Vietnam

Der IGB hat in Vietnam keine Mitgliedsorganisation.
Rechtslage
Vereinigungsfreiheit / Vereinigungsrecht
Vereinigungsfreiheit
Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen. Die Vereinigungsfreiheit wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung
Das Gesetz untersagt gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung, enthält aber keinen angemessenen Schutz.
Beschränkungen des Rechtes der Beschäftigten auf die Gründung von und den Beitritt zu Organisationen ihrer eigenen Wahl
- Gesetzlich vorgeschriebenes Gewerkschaftsmonopol und/oder ein System, das die Organisierung auf einer bestimmten Ebene (Betrieb, Branche/Sektor, regional, gebietsbezogen, national) verbietet oder einschränkt
- Das neue Gewerkschaftsgesetz sieht ein zentralisiertes System unter der Bezeichnung 'demokratischer Zentralismus' vor (Artikel 6.1), bei dem die Gewerkschaftsbewegung der Führung der Kommunistischen Partei Vietnams unterstellt wird (Artikel 1 and 6.2) und Gewerkschaftsaktivitäten durch die 'Statuten der vietnamesischen Gewerkschaften' geregelt werden, ein Dokument, das der Nationalkongress vietnamesischer Gewerkschaften verabschiedet hat und das Leitlinien, Zielsetzungen, Organisations- und Arbeitsprinzipien sowie gewerkschaftliche Organisationsstrukturen auf allen Ebenen festlegt, ebenso wie die Rechte und Pflichten der Mitgliedsorganisationen (Artikel 4.8, 5.2 and 6.2). An der Spitze dieser Struktur steht der Dachverband, die Vietnam General Confederation of Labour (Artikel 7).
Beschränkungen des Rechtes der Gewerkschaften auf die Organisation ihrer Verwaltung
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Festlegung ihrer Satzungen und Bestimmungen
- Das Gesetz sieht eine Liste von Gewerkschaftsaktivitäten und -aufgaben vor, die die "Propagierung, Verbreitung und Aufklärung über Linien, Richtlinien und Politik der Partei" (Artikel 26. 2(b) des Gewerkschaftsgesetzes, 2012) und "Ausbildung und Unterstützung herausragender Arbeiter als potenzielle Kader für die Partei, den Staat (...)" (Artikel 26.2.(dd)) des Gewerkschaftsgesetzes, 2012) sowie "Ermutigung und Auszeichnung von Arbeitern und Arbeiterkindern für herausragende Leistungen in Studium und Beruf" (Artikel 26.2.(i)) des Gewerkschaftsgesetzes, 2012).
- Beschränkungen des Rechtes auf die ungehinderte Organisation von Aktivitäten und die Formulierung von Programmen
- Das neue Gewerkschaftsgesetz legt äußerst detaillierte Regeln für die Verwaltung der Gelder und Vermögenswerte der Gewerkschaften fest. (Artikel 27 and 28)
Gruppen von Beschäftigten, die Gewerkschaften laut Gesetz weder gründen noch beitreten oder ein Gewerkschaftsamt bekleiden dürfen bzw. nur mit Einschränkungen
- Ausländische oder Wanderarbeitskräfte
- Das neue Gewerkschaftsgesetz besagt, dass nur vietnamesische Beschäftigte eine Gewerkschaft gründen, ihr beitreten bzw. sie leiten können. (Artikel 5)
Tarifverhandlungsrecht
Tarifverhandlungsrecht
Das Tarifverhandlungsrecht wird gesetzlich anerkannt.
Beschränkungen des Grundsatzes ungehinderter und freiwilliger Verhandlungen
- Starre oder übertriebene verfahrenstechnische Auflagen (z.B. eng gefasster zeitlicher Rahmen für den Abschluss eines Tarifvertrages)
- Das Gesetz beschränkt die Möglichkeit, einen Vertrag innerhalb der ersten drei Monate nach seiner Umsetzung zu ändern, wenn er für eine Dauer von weniger als einem Jahr abgeschlossen wird, und innerhalb der ersten sechs Monate nach seiner Umsetzung, wenn er für eine Dauer von einem bis drei Jahren vereinbart wurde (Artikel 77.1 des Arbeitsgesetzes). Das Gesetz sieht keine Möglichkeit vor, einen Tarifvertrag für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren zu unterzeichnen.
Einschränkungen oder Verbot von Tarifverhandlungen in bestimmten Sektoren
- Sonstige Beamte und öffentlich Bedienstete
- Beamte haben das Recht, einer Staatsbedienstetengewerkschaft oder einer anderen Organisation beizutreten, die die Interessen der Beamten vertritt. Zu ihrem Tarifverhandlungsrecht steht im Gesetz jedoch nichts. (Gesetz zur Billigung des Beamtenstatuts, Nr. 8/2004, ergänzt durch das Gesetz Nr. 5/2009)
Streikrecht
Streikrecht
Das Streikrecht wird gesetzlich anerkannt, unterliegt aber strengen Bestimmungen.
Gesetzliche Hindernisse für rechtmäßige Streiks
- Übermäßige Bestimmungen bezüglich der für einen rechtmäßigen Streik erforderlichen Repräsentativität oder Mindestmitgliederzahl
- Laut Arbeitsgesetz müssen mehr als 50 Prozent der Beschäftigten einem vom Gewerkschaftsvorstand geplanten Streik zustimmen. (Artikel 213)
- Übermäßig lange Ankündigungs- oder Abkühlungsfristen
- Spätestens fünf Arbeitstage vor Streikbeginn muss der Gewerkschaftsvorstand den Arbeitgeber über den Streikbeschluss unterrichten und gleichzeitig eine Kopie des Beschlusses an die staatlichen Arbeitsbehörden der Provinz sowie an die Provinzgewerkschaft schicken. Wenn sich der Arbeitgeber bei Streikbeginn nicht bereit erklärt, den Gewerkschaftsforderungen nachzukommen, hat der Gewerkschaftsvorstand die Aufgabe, den Streik zu organisieren und die Federführung zu übernehmen. (Artikel 213, Arbeitsgesetz)
- Obligatorische Schieds- oder langwierige Schlichtungs- und Vermittlungsverfahren vor einem Streik
- Die Gewerkschaften können nur dann zum Streik aufrufen, wenn sämtliche Vermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. (Arbeitsgesetz, Artikel 206-209)
- Sonstige übertriebene, unsinnige oder ungerechtfertigte Auflagen
Verbot oder Einschränkungen bestimmter Arten von Streiks
- Beschränkungen hinsichtlich der Art des Streiks (z.B. Streikposten, wilde Streiks, Dienst nach Vorschrift, Sitzstreik, Bummelstreik)
- Das Gesetz unterscheidet zwischen rechtsbasierten und interessenbasierten kollektiven Arbeitskonflikten (Artikel 203 des Arbeitsgesetzes). Streiks sind nur bei interessenbasierten kollektiven Konflikten erlaubt (Artikel 209.2 und 215.1 des Arbeitsgesetzes).
Übermäßige Eingriffe der Behörden oder der Arbeitgeber während eines Streiks
- Befugnis der Behörden oder Arbeitgeber, einen Streik einseitig zu verbieten, zu begrenzen, auszusetzen oder zu beenden
- Wenn davon ausgegangen wird, dass ein Streik die Gefahr einer ernsthaften Schädigung der Volkswirtschaft oder des öffentlichen Interesses birgt, kann der Vorsitzende des Volkskomitees auf Provinzebene beschließen, den Streik zu verschieben oder abzusagen und die zuständige Behörde und Organisation mit der Durchführung des Streiks beauftragen (Artikel 221 des Arbeitsgesetzes). Zu den Situationen, die ein solches Risiko darstellen, gehören "Streiks, die voraussichtlich in Einheiten organisiert werden, die Strom, Wasser, öffentliche Verkehrsmittel und andere Dienste bereitstellen, die in direktem Zusammenhang mit der Organisation von Versammlungen zur Feier des Tages des Sieges, des Internationalen Tages der Arbeit oder des Nationalfeiertages stehen. (...) (4) Streiks, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen in Einheiten stattfinden, die Strom, Wasser oder öffentliche Sanitäreinrichtungen bereitstellen, die die Umwelt, die Lebensbedingungen und die Gesundheit der Menschen in Provinzstädten beeinträchtigen (...)" (Artikel 8 des Erlasses Nr. 46/2013/NE-CP vom 10. Mai 2013).
Bestimmungen, die die Streikmöglichkeiten oder die Wirksamkeit eines Streiks untergraben
- Sonstige gesetzliche Bestimmungen, die das Streikrecht untergraben
- Das Gesetz erlaubt es dem Arbeitgeber, den Arbeitsplatz während des Streiks vorübergehend zu schließen, wobei er sich auf weit gefasste Gründe stützen kann, wie z.B. "das Fehlen der notwendigen Bedingungen zur Aufrechterhaltung des normalen Betriebs oder zum Schutz des Vermögens des Arbeitgebers" (Artikel 214(3) des Arbeitsgesetzes).
Sonstige Beschränkungen
- Sonstige Beschränkungen
- Streiks sind in Betrieben verboten, die für die Volkswirtschaft wesentlich sind und in denen Streiks die nationale Sicherheit, die Verteidigung, die öffentliche Gesundheit und die öffentliche Ordnung gefährden können (Artikel 220(1) des Arbeitsgesetzes). Dazu gehören: - Stromerzeugung mit hoher Kapazität, Stromübertragung und Regulierung des nationalen Stromnetzes; b) - Öl- und Gasexploration, Gasförderung und -versorgung; c) - die Gewährleistung der Sicherheit in der Luftfahrt und im Seeverkehr; d) - Bereitstellung von Telekommunikation, Netzwerkinfrastruktur, Postdienstleistungen für staatliche Stellen; - saubere Wasserversorgung, Wasserableitung und Umweltsanierung in zentral geführten Städten; - direkte Dienstleistungen für die Sicherheit und die nationale Verteidigung (Art. 2, Dekret Nr. 41/2013/ND-CP vom 8. Mai 2013, der die Umsetzung von Artikel 220 des Arbeitsgesetzes präzisiert).
Praxis
Das novellierte Arbeitsgesetz wurde am 20. November 2019 vom vietnamesischen Parlament verabschiedet und lässt jetzt parallel zur offiziellen Gewerkschaft VGCL unabhängige repräsentative Basis-Arbeitnehmerorganisationen zu. Die unabhängigen Gewerkschaften werden von einer anderen Behörde zugelassen, verfügen aber über dieselben Rechte mit Blick auf die Mitgliederwerbung, Tarifverhandlungen, die Vertretung von Beschäftigten bei Konflikten und die Organisation von Streiks. Allerdings ist nur die offizielle Gewerkschaft berechtigt, Organisationen auf höherer Ebene aufzunehmen, Vereinbarungen mit Arbeitgebern über den automatischen Abzug der Gewerkschaftsbeiträge von den Löhnen abzuschließen und externe sowie ausländische finanzielle Unterstützung zu erhalten.
Im Mai 2019 hat ein Berufungsgericht in der Provinz Long An im Mekongdelta ein wichtiges Urteil bezüglich eines Streiks bei Giay Hung Nghiep, einem chinesischen Schuhhersteller, im August 2017 gefällt. Ende 2018 war ein Bezirksgericht zu der Auffassung gelangt, dass das Unternehmen neun Beschäftigte wegen ihrer Beteiligung an einem halbtägigen Streik in rechtswidriger Weise entlassen habe. Achtundzwanzig Arbeitskräfte hatten damals die Arbeit niedergelegt, um Überstundenbezahlung und verschiedene Zulagen zu fordern. Obwohl das Gericht den Streik für rechtswidrig befand, entschied es zugunsten der Beschäftigten. Es erklärte, dass die rechtswidrigen Entlassungen wesentlich schwerer wiegen als ein halbtägiger Streik und verpflichtete das Unternehmen zu einer hohen Entschädigungszahlung. Das Unternehmen hat dagegen Berufung eingelegt, und am 22. Mai 2019 hat das Provinzgericht Long An das Urteil aufgehoben, was damit begründet wurde, dass die Beschäftigten dem Unternehmen schweren und erheblichen Schaden zugefügt sowie Chaos geschürt hätten, wodurch die Sicherheit anderer Arbeitskräfte und Investoren gefährdet worden sei.
Am 21. Mai 2019 wurde den Gewerkschaftsaktivisten Dang Ngoc Tan und Pham Thanh am Volksgerichtshof der Provinz Binh Thuan der Prozess gemacht. Sie hatten sich am 10. und 11. Juni 2018 in der Provinz Binh Thuan an Massendemonstrationen gegen Gesetzentwürfe zu Sonderwirtschaftszonen und Cybersicherheit beteiligt und wurden gemäß Klausel 4, Artikel 178 des Strafgesetzbuches aus dem Jahr 2015 wegen “vorsätzlicher Zerstörung öffentlichen Eigentums” zu Haftstrafen von 17 bzw. 11 Jahren verurteilt.
Die beiden hatten bereits zuvor wegen anderer Anklagepunkte vor Gericht gestanden und waren am 26. September 2018 vom Volksgerichtshof des Bezirkes Bac Binh gemäß Artikel 318 des Strafgesetzbuches von 2015 wegen “Störung der öffentlichen Ordnung” im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an einem Protest am 11. Juni 2018 in der Gemeinde Phan Ri Thanh im Bezirk Bac Binh in der Provinz Binh Thuan zu Haftstrafen verurteilt worden, Pham Thanh zu vier Jahren und sechs Monaten und Dang Ngoc Tan zu vier Jahren. Am 7. März 2019 wurde Dang Ngoc Tan zudem vom Volksgerichtshof des Bezirks Tuy Phong ebenfalls gemäß Artikel 318 wegen seiner Beteiligung an Protesten am 10. Juni 2018 in der Stadt Phan Ri Cua und der Gemeinde Hoa Minh im Bezirk Tuy Phong in der Provinz Binh Thuan zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Insgesamt wurden Dang Ngoc Tan und Pham Thanh zu 24 bzw. 15,5 Jahren Haft verurteilt. Dang Ngoc Tan ist erst 19 Jahre alt.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Eintrages waren 127 Aktivist*innen, die sich an den Protesten im Juni 2018 beteiligt hatten, deswegen entweder verurteilt oder auf andere Weise gemobbt worden. Es wird davon ausgegangen, dass die bei diesem Prozess verhängten Strafen die höchsten sind, die bisher gegen Protestierende verhängt wurden.
Darüber hinaus mussten Tan und Thanh Schadenersatz in Höhe von 3,6 Mrd. Dong (154.210 US$) bzw. mehr als 1 Mrd. Dong (42.836 US$) zahlen, weil sie während des Protestes am 11. Juni 2018 angeblich vier Feuerwehr- und zwölf Polizeifahrzeuge in Binh Thuan in Brand gesteckt hatten.
Die Behörden haben die harten Strafen gegen die Protestierenden u.a. mit deren Gewaltbereitschaft begründet, wobei die vietnamesischen Aktivisten selbst behaupten, dass die Gewalt tatsächlich von den Behörden ausging, die ihre eigenen Leute in die Proteste eingeschleust hätten, um Gewalt zu schüren und damit die härteren Mittel zu rechtfertigen, die eingesetzt wurden, um die Menge zu zerstreuen, wie etwa Tränengas, Wasserwerfer, körperliche Angriffe und Festnahmen.
Am Wochenende des 9. und 10. Juni 2018 gingen Zehntausende Vietnamesen im ganzen Land auf die Straße, um gegen zwei Gesetzentwürfe zur Internetsicherheit und zur Einrichtung neuer Sonderwirtschaftszonen zu protestieren. Die Proteste begannen unter Beteiligung von rund 50.000 Arbeiter/innen der Schuhfabrik Pouchen im Industriegebiet Tan Tao in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem größten Wirtschaftszentrum des südasiatischen Landes.
Tausende Menschen versammelten sich in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt, Danang, Nha Trang und anderen Städten, stimmten Sprechgesänge an und trugen Spruchbänder mit den Aufschriften “Sagt nein zum Gesetzentwurf über Sonderwirtschaftszonen”, “Nein zur Landverpachtung an China auch nur für einen Tag” und “Internetsicherheitsgesetz soll die Menschen zum Schweigen bringen”.
Die Proteste machten deutlich, wie groß die Unzufriedenheit mit der systemischen Korruption, der schweren Umweltverschmutzung, der erheblichen sozialen Ungleichheit und der schwachen Reaktion der Regierung auf Chinas Verletzungen der vietnamesischen Souveränität im rohstoffreichen Mehr ist.
Die vietnamesischen Sicherheitskräfte haben in aggressiver Weise auf den Aufruf zu friedlichen Demonstrationen reagiert. Die Behörden haben Beamte in Zivil und Angehörige der Miliz zu örtlichen Aktivisten nach Hause geschickt, um sie von der Teilnahme an den Protesten abzuhalten. Viele Aktivisten gaben an, dass sie ihre Häuser vor dem Wochenende verlassen und untertauchen mussten, um nicht von den Sicherheitskräften eingesperrt zu werden.
Am 10. Juni wurden zahlreiche Polizisten, Milizen und Schläger eingesetzt, um die Demonstrationen zu unterbinden, wobei Hunderte Protestierende festgenommen und verprügelt wurden. Während es der Polizei gelang, mehrere kleine Proteste in Hanoi bis zum Mittag zu beenden, dauerten die Kundgebungen in Ho-Chi-Minh-Stadt und Nha Trang bis in die frühen Morgenstunden an. In Ho-Chi-Minh-Stadt hat die Polizei akustische Langstreckengeräte eingesetzt, die von den USA für Patrouillenschiffe der vietnamesischen Küstenwache angeschafft worden waren und extrem laute Geräusche erzeugen, die erhebliche physische Schmerzen und bleibende Hörschäden verursachen können.
In Phan Thiet und Phan Ri in der Provinz Binh Thuan hat die Polizei Tränengas und Wasserwerfer gegen die örtliche Bevölkerung eingesetzt. Ein Demonstrant wurde bewusstlos geschlagen, und 500 Protestierende wurden in Gewahrsam genommen und stundenlang verhört. Während ihrer Haft wurden sie geschlagen, und ihre Mobiltelefone und sonstiges Eigentum wurden beschlagnahmt. Die Polizei ließ viele von ihnen wieder frei, behielt jedoch Dutzende in Haft und drohte ihnen mit einer Anklage wegen angeblichen “Verstoßes gegen die nationalen Sicherheitsregeln” und “öffentlicher Unruhestiftung”.
Mit dem Gesetz über Sonderwirtschaftszonen will die kommunistische Regierung Vietnams drei Zonen an strategischen Orten einrichten, an denen ausländische Investoren Land für 99 Jahre pachten können: Van Don, Phu Quoc und Bac Van Phong. Aktivisten vermuten, dass der Gesetzentwurf der erste Schritt auf dem Weg dahin ist, chinesischen Investoren die Möglichkeit zu geben, Land zu erwerben und ungelernte chinesische Arbeiter an diese Standorte zu bringen.
Das Unternehmen Bluecom Vina in Hai Pong hat seine Zusage, das Recht der Beschäftigten auf die Gründung einer Gewerkschaft anzuerkennen, nicht eingehalten. Daraufhin haben am 11. April 2016 1.000 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt, um ihrer Forderung nach Vereinigungsfreiheit, einer Verkürzung der Arbeitszeit und einer Lohnerhöhung Nachdruck zu verleihen. Sie arbeiteten 12 bis 14 Stunden pro Tag, inklusive jeden Samstag, für einen Monatslohn von 3.745.000 VND (165 USD), und anstatt eines Stundensatzes für Überstunden, erhielten sie lediglich einen Pauschalbetrag von 100.000 VND (4,50 USD) pro Monat. Der Streik wurde beendet, nachdem der Arbeitgeber zugesagt hatte, sich an die gesetzliche Arbeitszeitregelung zu halten, zwei arbeitsfreie Samstage pro Monat zuzugestehen und eine monatliche Zulage in Höhe von 450.000 VND (20,2 USD) pro Person zu zahlen.
Die Arbeitnehmerrechtsaktivistin Do Thi Minh Hanh wurde am 23. November von der Polizei inhaftiert und verprügelt. Hanh, Mitbegründerin der Free Viet Labour Federation, und ein weiterer Aktivist, Truong Minh Duc, hatten mit Beschäftigten gesprochen, die sich darüber beschwerten, von einem ausländischen Unternehmen unrechtmäßig entlassen worden zu sein. Die beiden Aktivisten wollten sie unterstützen und beraten. Als die Polizei eintraf, zerrte sie Hanh weg, schlug ihr ins Gesicht und auf den Kopf und hielt sie im Würgegriff fest. Anschließend wurde sie 13 Stunden lang ohne Anklageerhebung inhaftiert. Ihre persönlichen Sachen und Flugblätter wurden konfisziert.
Phan Sophat, der Vorsitzende des Ortsverbandes der Collective Union of Movement of Workers (CUMW) beim Schuhhersteller Takeo Shoes, einer Tochter von Beautiful Spring, wurde am 30. September 2015 entlassen, nachdem er beschlossen hatte, aus der offiziellen Gewerkschaft auszutreten und stattdessen dem CUMW–Ortsverband beizutreten, um die Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Die Beschäftigten begannen einen Streik, um ihren Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und der Wiedereinstellung von Phan Sophat Nachdruck zu verleihen. Angaben der CUMW zufolge sei der Arbeitgeber unerbittlich gegen die Streikenden vorgegangen, habe die Streitkräfte hinzugezogen und Schläger angeheuert, um sie zu verprügeln. Am 10. Oktober hat die Betriebsleitung eine gerichtliche Anordnung beantragt, um die Streikenden zur Rückkehr an ihren Arbeitsplatz zu veranlassen.
Ein Anfang 2015 veröffentlichter Erlass bezüglich der Richtlinien für die Inkraftsetzung des vietnamesischen Arbeitsgesetzes enthält einen Abschnitt zur Beendigung von Streiks, der es noch einfacher als bisher macht, Streiks für rechtswidrig zu erklären. In der Praxis sind in Vietnam alle Streiks angesichts der strikten Vorschriften streng genommen rechtswidrig. Der Konflikt muss sich beispielsweise auf „Interessen“ beziehen, d.h. Leistungen, die über den Arbeitsvertrag hinausgehen oder die für den Arbeitgeber nicht rechtsverbindlich sind. Im Falle eines Konfliktes wird eine Urabstimmung durchgeführt, und nur, wenn sich mehr als 50 Prozent der Beschäftigten für einen Streik aussprechen, kann die kollektive Aktion von Rechts wegen stattfinden.
Im Falle eines „rechtswidrigen“ Streiks ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Bezirks- oder Kommunalverwaltung und den Gewerkschaften auf höherer Ebene unverzüglich Bericht zu erstatten. Die einzige legitime Gewerkschaft ist jedoch die Vietnam General Confederation of Labour, die auf sämtlichen staatlichen Verwaltungsebenen über Ortsverbände verfügt. Die Führungspositionen der Gewerkschaften auf höherer Ebene bekleiden Mitglieder der Kommunistischen Partei. Diese Organisationen kontrollieren dann die Betriebsgewerkschaften in ihren jeweiligen Gebieten. Häufig ernennen die Arbeitgeber die Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaften, zum Teil mithilfe der Gewerkschaften auf höherer Ebene.
Die Gewerkschaft prüft den Bericht des Arbeitgebers, und die Arbeitsbehörde legt innerhalb von 24 Stunden ihren abschließenden Bericht vor und informiert die Behörden auf höherer Ebene. Dieses Verfahren endet damit, dass die Stadt- oder Provinzverwaltung den Streik für rechtswidrig erklärt.
Gemäß dem neuen Erlass sind die Gerichte befugt, auf Antrag der Lokalverwaltung über die Rechtmäßigkeit von Streiks zu entscheiden. Die Arbeitgeber brauchen dem Gericht keine Unterlagen mehr einzureichen. Es genügt, dass sie den Lokalbehörden Bericht erstatten, um innerhalb eines Tages ein Urteil in Bezug auf die Unrechtmäßigkeit eines Streiks zu erwirken.
Nach der Beilegung des Konfliktes berechnet der Arbeitgeber den verursachten Schaden und die entstandenen Kosten. Anschließend fordert er von den Gewerkschaften, die den Streik organisiert haben, eine Entschädigungszahlung.
Drogenabhängige können in staatlichen Haftanstalten gefangen gehalten werden und dort einer „Therapie durch Arbeit" unterzogen werden. Ein Bericht von Human Rights Watch (HRW) verurteilt die Missstände in diesen Zentren: Haft ohne Gerichtsverfahren (häufig bis zu vier Jahren); Schläge mit Knüppeln, Elektroschocks und Entzug von Nahrung und Wasser bei Verstößen gegen die Gefängnisordnung (z. B. im Fall von Arbeitsverweigerung) und ihre Vorschriften, und auch Zwang zur Arbeit usw. Einige Produkte, die als Ergebnis dieser Zwangsarbeit hergestellt werden, werden u. a. in die Vereinigten Staaten und nach Europa exportiert. Laut HRW waren zu Beginn des Jahres 2011 rund 40.000 Menschen, darunter auch Kinder, in 123 solcher Zentren inhaftiert.
Aufgrund der vorherrschenden Stellung der Unternehmensleitung in vielen Betriebsgewerkschaften, haben die Mitgliedsgewerkschaften des VGCL nur einen begrenzten Spielraum für Tarifverhandlungen. Vor kurzem wurden die Statuten des VGCL geändert, um die Funktion bestimmter hochrangiger Manager als Gewerkschaftsführer zu begrenzen. In seinem letzten Bericht wies das Projekt Better-Work-Vietnam der IAO darauf hin, dass es in drei Vierteln der an dem Programm beteiligten Fabriken für die Gewerkschaften nicht möglich ist, sich mit den Arbeitnehmer/inne/n zu treffen, ohne, dass die Unternehmensleitung anwesend ist.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich an nicht von der Regierung genehmigten Streiks beteiligen, riskieren Sanktionen. Allerdings sind die rechtlichen Auflagen für die Durchführung eines Streiks so restriktiv, dass es fast unmöglich ist, sie zu erfüllen. Im Laufe des Jahres 2011 ist die Zahl der rechtswidrigen Streiks von 423 im Vorjahr auf fast 1000 angestiegen. Die meisten Streiks stehen in Verbindung mit der Tatsache, dass die Löhne der Beschäftigten nicht mit der Inflation Schritt halten, die bei 18% liegt.
In seinem jüngsten Bericht stellt das Projekt Better-Work-Vietnam der IAO fest, dass sich drei der an dem Programm beteiligten 78 Fabriken geweigert haben, alle betroffenen Beschäftigten nach einem Streik wiedereinzustellen. Eine Fabrik hat die streikenden Arbeiter bestraft.
Zwischen dem 24. und dem 29. Juni streikten über 90.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Pou-Yuen-Schuhfabrik, die große Schuhmarken wie z. B. Adidas beliefert, um bessere Löhne zu fordern. Mehrere Quellen berichteten, dass Beschäftigte verhaftet und/oder nach dem Streik entlassen worden sind.
Arbeitnehmer, die ihre Rechte vor Gericht geltend machen wollen, sehen sich mit vielen Hindernissen wie langwierigen und kostenintensiven Verfahren konfrontiert. Oft gibt es nicht mal einen Arbeitsvertrag.
Die Regierung blockiert den Zugang zu allen Internetseiten, die politisch problematisch sein könnten. Inhaber von Internetcafés müssen die Aktivitäten ihrer Kunden im Internet überwachen und aufzeichnen. Im April 2010 beschloss das Volkskomitee in Hanoi (das Exekutivorgan der Stadt), dass alle Internetcafés der Hauptstadt eine von den Behörden genehmigte Überwachungssoftware installieren müssen, die die Nutzung des Internets für „Aufrufe zu Protesten, Streiks und Bummelstreiks" unterbindet.
Trotz der Einschränkungen von Streiks gab es laut Regierungsangaben im Laufe des Jahres 2009 insgesamt 216 wilde (laut Arbeitsgesetzbuch rechtswidrige) Streiks, das sind 70% weniger als 2008. Dieser Rückgang ist jedoch nicht auf eine verbesserte Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurückzuführen, sondern angesichts der Weltwirtschaftskrise eher eine Folge ihrer Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes. Nach Angaben der Regierung fanden die meisten Streiks in Unternehmen statt, die in ausländischer Hand sind, und haben ihre Ursache in langen Arbeitszeiten für geringe Löhne sowie in der Verletzung von im Arbeitsvertrag verankerten Rechten.
Die Möglichkeit der dem Gewerkschaftsdachverband VGCL angeschlossenen Gewerkschaften, mit der Unternehmensleitung tatsächlich zu verhandeln, wird durch die Tatsache erschwert, dass die VGCL-Vertreter in vielen Unternehmen von den Arbeitern als der Unternehmensleitung zu nahe stehend betrachtet werden oder selbst zur Führungsebene des Unternehmens gehören.
Arbeitnehmer, die ihre Rechte vor Gericht geltend machen wollen, sehen sich mit vielen Hindernissen wie langwierigen und kostenintensiven Verfahren konfrontiert. Oft gibt es nicht mal einen Arbeitsvertrag. Als die Gewerkschaft des Bezirks Thu Duc (Ho-Chi-Minh-Stadt) im Namen von 70 Fabrikarbeitern gegen die Unternehmensleitung von Hai Vinh Co. klagen wollte, stellte sich heraus, dass die meisten von ihnen keinen Arbeitsvertrag hatten. Dabei ist das sogar gesetzlich vorgeschrieben. In anderen Fällen wurden zwar Arbeitsverträge unterschrieben, aber die Arbeitnehmer erhielten kein Exemplar.
In Vietnam werden Streiks im Allgemeinen von formlosen Arbeitnehmergruppierungen initiiert, und zwar auch dort, wo es eine Vertretung des Gewerkschaftsbundes CGVT gibt. Die örtlichen Behörden und die Vertreter der offiziellen Gewerkschaft streben in der Regel Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Unternehmensleitung an, bei denen der CGVT jedoch weit reichend die Interessen von Regierung und Unternehmen vertritt. Im Februar 2009 forderten mehrere Behördenvertreter eine Novelle der Arbeitsgesetzgebung, damit Rolle und Verantwortung der Gewerkschaften klar definiert werden. Der stellvertretende Leiter der für die Industriegebiete und Freihandelszonen in Ho-Chi-Minh-Stadt zuständigen Behörde betonen, dass die Arbeitnehmer in wilde Streiks treten. Die Verfahren für die Organisation rechtmäßiger Arbeitsniederlegungen sind zu kompliziert, die Arbeitnehmer sehen Streiks als einziges Mittel an, ihre Rechte geltend zu machen, und die meisten örtlichen Gewerkschaften erfüllen ihre Aufgabe im Hinblick auf Vertretung und Schutz der Rechte ihrer Mitglieder nicht.
Die Arbeitnehmer haben kein Recht auf Gründung oder Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, die nicht dem offiziellen, von der Kommunistischen Partei kontrollierten Gewerkschaftsbund Vietnam General Confederation of Labour (VGCL) angehört. Es zeichnet sich jedoch eine neue Generation von Gewerkschaftsaktivisten ab, die weniger eng an die Partei gebunden sind, insbesondere bei Post und Telekommunikation.